Ich rufe nun die Zusatzpunkte 11 und 12 auf: ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tempolimit 130 km/h auf Autobahnen sofort einführen - Drucksache 16/6894 - ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dorothee Menzner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Schnellstmögliche Einführung eines generellen Tempolimits von 130 Stundenkilometern auf Bundesautobahnen - Drucksache 16/6932 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Diese Beratung unterscheidet sich von der vorherigen auch dadurch, dass der Antrag auf schnellstmögliche Umsetzung bei dem eben mit Mehrheit beschlossenen Antrag nicht gestellt wurde. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich um schnellstmögliche Herstellung der nötigen Aufmerksamkeit bei denjenigen, die an dieser Debatte teilnehmen können und wollen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Fritz Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit zwei Zitaten beginnen: Wir wollen die steuerliche Besserstellung hochverbrauchender Dienstwagen abschaffen. Ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz ist die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h. Das ist vor wenigen Tagen auf dem SPD-Parteitag in Hamburg so beschlossen worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich will Ihnen sagen, dass wir diesen Beschluss gut finden. In unserem Programm haben wir uns zwar für ein Tempolimit von 120 km/h ausgesprochen, heute beantragen wir aber die Umsetzung Ihres Beschlusses. Ich will deutlich machen, aus welchen Gründen wir das tun. Im Wesentlichen sprechen vier Gründe für diese Position: Erstens. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen bringt sofort - ich betone: sofort - eine Reduktion der CO2-Emissionen um mindestens 2,5 Millionen Tonnen jährlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das entspricht immerhin 7 bis 8 Prozent der durch Pkws auf Autobahnen verursachten Emissionen. Der zweite Grund ist, dass ein Tempolimit auf Autobahnen die Zahl der Verkehrstoten reduzieren würde. Von den jährlich 600 Verkehrstoten auf Autobahnen in Deutschland könnte ein Viertel - das besagt eine Studie, die im Auftrag der Brandenburger Landesregierung entstanden ist - gerettet werden. Das ist ein elementarer Grund. An dieser Stelle frage ich immer wieder die Union und die FDP: Wieso weichen Sie diesem Grund immer aus? Wieso wollen Sie diesen sachlichen Grund nicht zur Kenntnis nehmen? Wir können Menschenleben retten. Ich fordere die CDU/CSU auf, dies zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der dritte Grund ist nicht minder wichtig: Es würde weniger Staus auf unseren Autobahnen geben; (Jörg van Essen [FDP]: Das Gegenteil ist der Fall!) denn Staus entstehen, wenn Fahrer mit sehr hohen Geschwindigkeiten auf Fahrer mit niedrigerer Geschwindigkeit stoßen. Der Verkehrsfluss würde durch ein Tempolimit also harmonisiert. In der Studie, die gestern von der Brandenburger Regierung vorgestellt wurde, wurde das empirisch untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass bei einem Tempolimit von 130 km/h auf einer sechsspurigen Autobahn pro Tag 7 200 Fahrzeuge mehr durchkämen, sich der Verkehrsdurchfluss also entsprechend erhöhen würde, und zwar, weil die Harmonisierung des Verkehrs durch ein Tempolimit gegeben wäre. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Der vierte Grund - wenig diskutiert in der Öffentlichkeit, aber ich will ihn nennen -: Stress und Aggressionen würden abgebaut, und vor allem für ältere Menschen wären die Autobahnen wieder leichter benutzbar. (Jörg van Essen [FDP]: Keine Altersdiskriminierung!) Ich richte folgende Frage an die CDU/CSU: Wenn wir eine alternde Gesellschaft haben und auch mehr ältere Menschen auf den Autobahnen fahren, muss man dann nicht irgendwann einmal von diesem Hochgeschwindigkeitswahn abkommen, der nur noch in Deutschland, aber sonst nirgendwo in Europa stattfindet? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der FDP: Ein solcher Quatsch!) Deswegen sage ich denen von der FDP, die jetzt hier geifern - den jungen Mann kannte ich bisher noch gar nicht -: Das Tempolimit in Deutschland wird kommen, so wie das Rauchverbot in den Gaststätten gekommen ist. Sie können sich noch ein Weilchen dagegen wehren, aber die Vernunft wird sich an dieser Stelle schlicht und einfach durchsetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte zu zwei Gegenargumenten kommen, die immer vorgebracht werden. Das erste Argument, das auch von Umweltminister Gabriel in Interviews genannt wird, - (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er eigentlich?) - vielleicht steckt er im Stau, weil wir kein Tempolimit haben; das kann man in seinem Fall nicht wissen - (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) lautet: Die CO2-Einsparungen in Höhe von 2,5 Millionen Tonnen durch ein Tempolimit seien zu wenig, man müsse die CO2-Emissionen um 270 Millionen Tonnen reduzieren, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Ich kann nur sagen: Das ist ein absurdes Verständnis dessen, wie wir Klimaschutz in Deutschland betreiben sollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn es ist doch klar, dass wir alle Maßnahmen brauchen. Wir sind doch nicht in der komfortablen Situation, uns von 20 Maßnahmen drei auszusuchen. Klimaschutz, die Reduzierung um 270 Millionen Tonnen erreichen wir nur, wenn wir alle Maßnahmen anpacken. Im Übrigen hat man - auch Frau Merkel und Herr Gabriel - uns immer erzählt, das Gebäudesanierungsprogramm - es ist wirklich gut - sei ein so tolles Programm, das man unbedingt machen müsse. Es sei ein Glanzstück des Klimaschutzes. Dieses Programm hat im Jahr 2006 1 Million Tonnen CO2 eingespart. Warum sind 2,5 Millionen Tonnen plötzlich zu wenig, wenn bei anderen Programmen 1 Million Tonnen eine riesige und gute Zahl ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen sage ich an die Adresse der Bundesregierung: Wer ein wirkliches Klimaschutzprogramm umsetzen und verwirklichen will, kommt an einem Tempolimit auf den deutschen Autobahnen nicht vorbei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das zweite Argument ist industriepolitischer Art. Es wird gesagt, die deutsche Automobilindustrie könne nur auf dem heutigen Stand weiter exportieren, wenn wir kein Tempolimit haben, weil auf unseren Fahrzeugen das Marketinglabel "Tested on the German Autobahn" stehen müsse. Dazu kann ich nur sagen: Wer die Realität der Exporte der deutschen Automobilindustrie kennt, der weiß, dass das eine absurde Konstruktion ist. Porsche exportiert vorwiegend in die Vereinigten Staaten, die ja nun nachgerade ein Tempolimit der Sonderklasse haben. Daran kann es also wirklich nicht liegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Außerdem produziert der größte Konkurrent der deutschen Automobilindustrie, Toyota, in Japan, wo es ein Tempolimit von 110 km/h gibt. Die Automobilindustrie kann also durch eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen nicht so sehr geschwächt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht, glaube ich, um eine ganz einfache Frage. Wenn wir eine Geschwindigkeitsbegrenzung hätten, würde der Drang, immer größere, schnellere und aufgrund der Sicherheitstechnik schwerere Autos zu bauen, endlich aufhören. Es würden endlich ein vernünftiges Downsizing und ein Wettbewerb um das ökologischste Auto stattfinden. Das geht ohne Tempolimit nicht ohne Weiteres. Ich will zum Schluss sagen: Manches ist einfach eine Angewohnheit, die man nicht so gerne aufgeben will. Ich darf Frau Nahles von der SPD zitieren. (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist bekannt!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Kuhn, das müssen Sie sich bitte aufheben. Sie haben Ihre Redezeit schon überschritten. (Zuruf von der SPD: Das kann man auch weglassen!) Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es dauert eine halbe Minute, Frau Präsidentin. Vizepräsidentin Petra Pau: Ein letzter Satz! Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Nahles sagte nach dem Parteitag: Aber ich fahre gerne auch mal schnell Auto, wo das möglich ist. Auf meine Lieblings-Rennstrecke auf der A 48 würde ich nur sehr ungern verzichten. Frau Nahles, ich kann nur sagen: Das ist ein Fall für die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Storjohann das Wort. Gero Storjohann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kuhn hat uns eben eine Studie aus Brandenburg zum Besten gegeben, mit der er als Beispiel die sechsspurigen Autobahnen anführte. Ich hatte vor meinem Auge jetzt überprüft, wo wir in Schleswig-Holstein sechsspurige Autobahnen haben und wo sich die Grünen jemals für einen sechsspurigen Autobahnausbau ausgesprochen hätten. Deswegen gibt es einen Konflikt: Sie werden die Verkehrssicherheit insgesamt forcieren müssen, aber dann müssen Sie auch den Ausbau von Straßen bei uns unterstützen. Knapp 23 Jahre ist es her, da beantragten die Grünen im Deutschen Bundestag aus Gründen des Umweltschutzes und der Verkehrssicherheit ein Tempolimit von 100 km/h; das war in der 10. Wahlperiode 1985. In der 11. Wahlperiode, im September 1988, beantragten die Grünen Tempo 100 als Maßnahme gegen Luftverschmutzung und Gesundheitsgefährdung wegen fotochemischen Smogs. In der 12. Wahlperiode, im September 1993, wollten die Grünen dann 20 km/h mehr, also Tempo 120 durchsetzen. Grund war diesmal die Bekämpfung des Waldsterbens. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt ja auch alles!) In der 13. Wahlperiode, im Oktober 1997, wollten die Grünen für Pkw bis 2,8 Tonnen Gesamtgewicht Tempo 100 auf Autobahnen und für alle anderen Tempo 80 einführen. Diesmal musste unter anderem die neue Erscheinung wilder Straßenrennen dafür herhalten, wie es in dem damaligen Antrag hieß. In der 14. und der 15. Wahlperiode stellten die Grünen gar keinen Antrag zum Tempolimit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Da haben sie auch regiert!) - Da regierten sie. Meine Damen und Herren von den Grünen, wenn Ihnen wirklich an einem allgemeinen Tempolimit gelegen wäre, dann hätten Sie als Regierungspartei sieben Jahre Zeit dafür gehabt, es einzuführen. Stattdessen stellen Sie jetzt, in der 16. Wahlperiode und wieder in der Opposition, in einem Jahr bereits den zweiten Antrag zum Tempolimit. Ihrem Anliegen eines Tempolimits erweisen Sie eigentlich einen Bärendienst. Es geht Ihnen gar nicht um die Sache, sondern um das Vorführen unseres Koalitionspartners SPD. (Zuruf von der FDP: So ist es!) Das ist keine seriöse Politik. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie zu: Das freut Sie!) Anfang des Jahres wollten Sie als klimapolitische Sofortmaßnahme Tempo 120 auf allen deutschen Autobahnen. Jetzt wollen Sie wieder Tempo 130. Wer diesen Zickzackkurs noch nachvollziehen kann, möge sich bitte melden. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion lehnt ein allgemeines Tempolimit auf den deutschen Autobahnen ab. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erklären Sie doch mal, warum!) Für den Klimaschutz würde ein generelles Tempolimit auf Autobahnen kaum erkennbare Verbesserungen bringen. Die BASt hat im Jahre 1992 berechnet, dass rund zwei Drittel der Fahrleistungen auf Autobahnen mit Geschwindigkeiten unter der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h abgewickelt werden. Damals wurde festgestellt, dass nur etwa 13 Prozent aller von Personenkraftwagen erbrachten Fahrleistungen mit Geschwindigkeiten von über 150 km/h gefahren werden. Seit der Erhebung vor 15 Jahren hat sich das Verkehrsaufkommen auf unseren Straßen jedoch um ein Vielfaches erhöht. Das bedeutet, dass schon heute auf vielen Streckenabschnitten gar nicht mehr schneller als mit Tempo 130 gefahren werden kann. Das gilt insbesondere an Autobahnkreuzen, in der Nähe von Städten und in Ballungszentren. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Kindergärten, Schulen und Zebrastreifen!) Darüber hinaus sind heute bereits knapp 40 Prozent des Autobahnnetzes dauerhaft oder durch Baustellen geschwindigkeitsbeschränkt. Auf knapp 10 Prozent des Netzes werden Geschwindigkeitsbeschränkungen durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen in Abhängigkeit von Verkehrsdichte oder Wetterlage angeordnet. Damit unterliegt knapp die Hälfte des deutschen Autobahnnetzes faktisch schon heute einem Tempolimit. Außerhalb dieser Bereiche gibt es keinen vernünftigen Grund, ein allgemeines Tempolimit einzuführen - schon gar nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit. Unsere Autobahnen sind die bei Weitem sichersten Straßen in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf den Bundesautobahnen werden rund 31 Prozent aller in Deutschland von Kraftfahrzeugen gefahrenen Kilometer zurückgelegt. Der Anteil an Verkehrstoten liegt auf den Bundesautobahnen bei etwa 12 Prozent und ist somit im Vergleich zu allen anderen Straßen wesentlich geringer. (Zuruf von der SPD: Viel zu hoch!) - Ja, er ist noch zu hoch. Deswegen arbeiten wir an vielen Konzepten, und natürlich muss auch der Kontrolldruck erhöht werden. All das wollen wir gemeinsam anpacken. 60 Prozent aller tödlichen Verkehrsunfälle - dieser Anteil ist viel zu hoch - geschehen auf Landstraßen; hier gibt es übrigens ein allgemeines Tempolimit von 100 km/h. Danach folgen mit 28 Prozent die Unfälle, die innerorts passieren; hier gilt ein allgemeines Tempolimit von 50 km/h. Auf den deutschen Autobahnen verunglücken rund 7,5 Prozent aller Verkehrsteilnehmer. Lediglich 6 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden ereignen sich hier. Daher sollten Tempolimits auf Autobahnen nur an bekannten Unfallschwerpunkten und bei hohem Verkehrsaufkommen angeordnet werden. In der Studie aus Brandenburg wurde deutlich, dass die Anordnung eines Tempolimits von 130 km/h auf dem langen Abschnitt vor Berlin durchaus sinnvoll war und sich im Nachhinein als sehr richtig erwiesen hat. (Zuruf von der LINKEN: Ach?) Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen für den Verkehrsteilnehmer immer nachvollziehbar sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der FDP: Sehr richtig!) Bereits heute leisten verkehrsabhängige Streckenbeeinflussungsanlagen, mit deren Hilfe die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverboten situationsabhängig geregelt werden kann, einen großen Beitrag zu einem optimalen Fahrverhalten. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Dadurch wird der Verkehrsablauf auf unseren Autobahnen verbessert und die Verkehrssicherheit erhöht. Die CDU/CSU spricht sich für den verstärkten Ausbau elektronischer Verkehrsbeeinflussungsanlagen entlang unserer Autobahnen aus. Im Bundeshaushalt für dieses Jahr haben wir für den Bau solcher Anlagen 30 Millionen Euro vorgesehen. Eine flexible Geschwindigkeitsregelung ermöglicht, dass die Autofahrer ihr Fahrtempo an die jeweilige Verkehrssituation und an die Umfeldbedingungen wie das Wetter und den Straßenzustand anpassen. Untersuchungen haben ergeben, dass die Zahl der Unfälle beim Einsatz elektronischer Verkehrsbeeinflussungsanlagen um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen ist. Das hat auch zur Folge, dass diese flexible Regelung bei den Autofahrern große Akzeptanz erfährt. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frenetischer Beifall bei der CDU/ CSU!) Diese Flexibilität erlaubt im Gegensatz zur Anordnung eines starren Tempolimits, dessen Einführung Grüne und Linke heute vorschlagen, die optimale Nutzung der Autobahn. Ein allgemeines Tempolimit ist im Gegensatz zur Anordnung der Geschwindigkeit durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen nicht sinnvoll. Es muss alles vermieden werden, wodurch die Attraktivität der sichersten Straße in Deutschland, nämlich der Autobahn, beeinträchtigt werden könnte. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das gibt es ja wohl nicht!) Durch Einführung eines allgemeinen Tempolimits würde diese Attraktivität geschmälert. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das selber geschrieben, oder wie?) Durch die Anordnung eines allgemeinen Tempolimits laufen wir außerdem Gefahr, dass sich ein erheblicher Anteil des Verkehrs auf die Landstraßen verlagert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, Landstraßen sind aufgrund des Begegnungsverkehrs besonders gefährlich. Das Risiko, auf einer Landstraße getötet zu werden, ist viermal so hoch, wie es auf der Autobahn ist. Überdies werden Landstraßen mit ihren häufigen Ortsdurchfahrten im Gegensatz zu Bundesautobahnen von schwach motorisierten Verkehrsteilnehmern, von Radfahrern und Fußgängern genutzt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Wie schrecklich!) Eine Verlagerung des Verkehrs von Bundesautobahnen auf Landstraßen würde eine erhebliche Gefährdung aller Verkehrsteilnehmer nach sich ziehen und auf Kosten der Verkehrssicherheit gehen. Dies alles macht deutlich: Die Anträge der Grünen und der Linken sind nicht durchdacht. Sie sind reiner Aktionismus. Daher lehnt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Vorschläge der Linksfraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zur Einführung eines allgemeinen Tempolimits ab. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Zuruf von der SPD: Schwach!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Döring das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Patrick Döring (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon überrascht, wie undifferenziert Sie, Herr Kollege Kuhn, versucht haben, Ihren früheren Koalitionspartner hier durch Verwendung falscher Zahlen vorzuführen. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche waren denn falsch?) Ich will versuchen, ein wenig sachlicher zu bleiben und die Zahlen zu nennen, die tatsächlich Grundlage einer Debatte zu diesem Thema sein sollten. Ich habe mich übrigens gefragt, was sich seit dem 20. September dieses Jahres eigentlich geändert hat. An diesem Tag haben wir an dieser Stelle nämlich schon einmal mit den Stimmen der Koalition und der FDP Ihre gleichlautenden Anträge abgelehnt; dass es in dem einen Fall um 120 km/h und in dem anderen Fall um 130 km/h ging, sei einmal übersehen. Damals haben wir in einer, wie ich finde, sehr differenziert geführten Debatte deutlich gemacht, warum wir diese Anträge ablehnen. Es geht nämlich gerade nicht um das Motto "Freie Fahrt für freie Bürger", (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Na klar!) sondern darum, dass man Tempolimits an Stellen, an denen sie sinnvoll sind, einführen sollte, dass man sie aber dort, wo sie vom Fahrer bzw. vom Nutzer der Straße eher nicht verstanden werden, nicht generell einführen sollte. Generelle Lösungen sind nicht so gut wie ausgefeilte und strukturell richtige Lösungen. Das muss man zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das kann man auch belegen. Einige Zahlen sind eben schon genannt worden. Ich gebe Ihnen recht, dass wir in Deutschland mit 5 600 Toten zu viele Opfer durch Verkehrsunfälle haben. Wir alle arbeiten gemeinsam daran, das zu ändern. Aber wenn wir uns das genauer anschauen, sehen wir: Weniger als die Hälfte kommt bei Unfällen zu Tode, die durch nicht angepasste Geschwindigkeit verursacht sind. Das ist das Erste, was man zur Kenntnis nehmen muss: Weniger als die Hälfte wird deswegen Opfer im Verkehr, weil der Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit zustande kommt, sagt das Kraftfahrt-Bundesamt; dessen Zahlen nehme ich jetzt einmal. Insofern sind die Hochrechnungen zu Vermeidungspotenzialen absolut falsch. Denn 40 Prozent des Verkehrs finden heute auf Autobahnen statt, und lediglich 12 Prozent der Opfer sind bei Unfällen auf Autobahnen ums Leben gekommen. Das heißt, trotz des massiven Verkehrsanteils der Autobahnen kommen die meisten Menschen auf tempolimitierten Straßen zu Tode, nämlich auf Bundesstraßen und innerorts. Wie hat die SPD-Fraktion zu Recht in ihrem Vermerk zu dem Antrag auf dem Parteitag geschrieben: (Ulrich Kelber [SPD]: Nicht zu diesem Parteitag!) Die Gefahr, auf Bundesstraßen oder innerorts zu Tode zu kommen, ist viermal so hoch wie auf Autobahnen. Das war ein Grund, warum die SPD-Fraktion dieses Tempolimit abgelehnt hat. (Ulrich Kelber [SPD]: Falsch zitiert!) - Das war der Vermerk Ihrer Fraktion zu dem Antrag auf dem Parteitag im letzten Jahr. (Ulrich Kelber [SPD]: Nein! 2005! Richtig zitieren!) Das zweite Argument, das für ein Tempolimit ins Feld geführt wird, ist die Verringerung der CO2-Emissionen. Ich habe schon in der Debatte am 20. September deutlich gemacht, dass die Zahlen des Umweltbundesamtes widerlegt sind, weil das Amt von zwei falschen Grundannahmen ausgegangen ist. Die erste Annahme, von der das UBA ausgegangen ist, lautet: Alle, die schneller fahren können, fahren auf den 60 Prozent der Strecken, auf denen kein Tempolimit herrscht, auch schneller als 130. Das ist aber, wie wir alle, die wir in Deutschland unterwegs sind, wissen, nicht der Fall. Viele Menschen fahren auch auf nichtlimitierten Strecken nicht schneller als 130, sodass das Minderungspotenzial eine völlig andere Basis hat. Die zweite Annahme, von der das Umweltbundesamt ausgegangen ist, lautet: Bei einem allgemeinen Tempolimit halten sich auch alle an dieses Tempolimit. Auch das wird durch das, was wir täglich erleben auf deutschen Straßen, widerlegt. Denn dort, wo wir allgemeine Tempolimits haben - auf Bundesstraßen und innerorts -, finden 75 Prozent der Verstöße gegen Tempolimits statt. Nur etwas mehr als 20 Prozent der Verstöße gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen finden auf Autobahnen statt. Auch diese Zahlen stammen vom Kraftfahrt-Bundesamt. Das heißt, überall dort, wo den Menschen generelle Lösungen vorgesetzt werden und diese nicht verstanden werden, kommt es nicht zu mehr Verkehrssicherheit und nicht zu weniger Emissionen, sondern zum Gegenteil. Deshalb sind die Anträge wie am 20. September abzulehnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Jörg Vogelsänger für die SPD-Fraktion. Jörg Vogelsänger (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon interessant, Herr Kuhn: Im Regierungshandeln ist alles ein bisschen schwieriger. Wir hatten 2000, glaube ich, eine Abstimmung, bei der ich mit dabei war, da hat ein Umweltminister Trittin so einen Antrag abgelehnt. Das muss man sich in Erinnerung rufen. (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!) Herr Trittin kann es ja richtigstellen, wenn ich etwas Falsches sage. Der Bundesparteitag der SPD in Hamburg wurde von vielen Medien begleitet. Das ist ein gutes Zeichen für meine Partei. (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) Das Interesse ist auch bei den Mitgliedern des Deutschen Bundestages immer noch sehr groß: Die Grünen und die Linken schreiben einen Antrag nach dem anderen ab und bringen ihn in den Bundestag ein. Besonders kreativ ist das nicht, meine Damen und Herren. Da lobe ich mir die FDP; die hat so etwas nicht nötig. Die Frage einer Tempobegrenzung auf 130 km/h auf deutschen Autobahnen wird immer sehr emotional diskutiert. Das betrifft Befürworter und Gegner gleichermaßen. Vielleicht ist heute eine gute Gelegenheit für beide Seiten, ein wenig abzurüsten; das täte uns allen gut. (Zuruf von der SPD: Sehr gut!) Der Beschluss auf dem Bundesparteitag der SPD wurde in erster Linie unter dem klimapolitischen Aspekt gefasst. Dazu das Zitat: Ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz ist die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h. (Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) Wir als SPD-Fraktion werden die Umsetzung des Beschlusses erörtern, und wir Verkehrspolitiker werden mit unserem Koalitionspartner über ein Verkehrssicherheitspaket beraten. Das gehört sich nun einmal so. Die Debatte über ein Tempolimit von 130 km/h hat sowohl einen klimapolitischen als auch einen verkehrspolitischen und Verkehrssicherheitsaspekt. Mein Kollege Gerd Friedrich Bollmann ist da ein ausgewiesener Experte und wird einige Ausführungen zum klimapolitischen Aspekt machen. Ich werde mich auf die beiden anderen Bereiche konzentrieren. Es bleibt dabei: Die Autobahnen sind die sichersten Straßen in Deutschland. Das sollte man hier auch nicht wegreden. Aufgrund des Parteitagsbeschlusses haben wir zu prüfen, ob man diese noch sicherer machen kann. Das werden wir auch tun. Dabei ist das Tempolimit von 130 km/h nur ein Aspekt. Ich bin der festen Überzeugung, dass durch die Erweiterung der Verkehrsbeeinflussungsanlagen mit flexiblen Geschwindigkeitsregelungen ein großer Beitrag geleistet werden kann. Darin gibt es Übereinstimmung hier im Haus. Damit habe ich auch gar kein Problem. Das hat auch für mich weiterhin eine hohe Priorität. Wenn der Autofahrer nachvollziehen kann, warum eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben ist, dann wird er sich auch stärker daran halten. Das ist so. Unvernünftige Autofahrer wird es immer geben. (Zuruf von der FDP: So ist es!) Hier müssen Kontrollen greifen. Auch wenn das nicht flächendeckend möglich ist, sind die Bundesländer in besonderer Pflicht. Leider wird in den meisten Bundesländern bei der Polizei eher Personal abgebaut. Das betrifft übrigens Landesregierungen jeder Farbe. Wenn mir andere Beispiele genannt würden, wäre ich froh. Im Übrigen muss das Gespräch mit den Ländern ohnehin gesucht werden. Die Einführung des Tempolimits von 130 km/h erfordert eine Änderung des § 3 der Straßenverkehrsordnung. Dies ist nach meiner Kenntnis im Bundesrat zustimmungspflichtig. Die Debatte über ein Tempolimit von 130 km/h könnte versachlicht werden, wenn neues Datenmaterial zur Verfügung gestellt würde. Ich habe heute früh um 7.30 Uhr - es wird also früh gearbeitet - ein Gespräch dazu mit dem Brandenburger Verkehrsminister geführt. Das Datenmaterial wird nicht von heute auf morgen vorliegen, aber wir sollten das Bundesamt für Straßenverkehr beauftragen, neues Datenmaterial zusammenzustellen, damit wir diese Debatte noch sachlicher führen können. Das Material ist vielfach über ein Jahrzehnt alt. Das muss man hier einfach sagen. Ich habe mir den § 3 der Straßenverkehrsordnung noch einmal genau angesehen. Eine denkbare Sofortmaßnahme wäre die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Kleintransporter von 2,8 bis 3,5 Tonnen. (Heidi Wright [SPD]: Sehr gut! Das ist überfällig!) Darüber muss man auch debattieren. Gerade diese Fahrzeuggruppe ist zunehmend in schwerste Verkehrsunfälle verwickelt. Ich kann Ihnen hierzu Beispiele aus meinem Wahlkreis nennen. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Entwicklung des Unfallgeschehens bei dieser Fahrzeuggruppe über die Bundesanstalt für Straßenwesen zu beobachten. Vielleicht könnte dies zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. Dies wünsche ich mir auch in den Ausschüssen, wobei ich neben einer Debatte im Verkehrsausschuss und im Umweltausschuss auch eine Debatte im Rechtsausschuss anrege. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Lutz Heilmann das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Lutz Heilmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Leider vermisse ich bei unserer Debatte über das Tempolimit den zuständigen Fachminister. Auch dies zeigt ganz einfach wieder, welchen Stellenwert Herr Tiefensee dieser Problematik offensichtlich zumisst. Auch der des Weiteren mit diesem Thema befasste Umweltminister Gabriel lässt sich durch einen Staatssekretär vertreten. (Zuruf von der SPD: Ein guter Mann!) Daran sieht man, wie ernst die Bundesregierung die Klimadebatte nimmt. Herr Storjohann, ich danke Ihnen für Ihre Zusammenstellung der Geschichte der Diskussion im Deutschen Bundestag über ein Tempolimit. Ich komme allerdings zu einem anderen Ergebnis: Ein Tempolimit steht auch weiterhin auf der Tagesordnung, und es wird demnächst kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Tempolimit ist in dieser Wahlperiode ein Dauerbrenner im Bundestag, und zwar zu Recht. Die letzte Debatte ist noch nicht so lange her; sie fand am 20. September statt, Herr Döring erwähnte sie auch. In dieser Debatte haben CDU/CSU, SPD und FDP wortreich erklärt - heute haben sie alles wiederholt -, (Patrick Döring [FDP]: Die Argumente haben sich auch nicht verändert!) warum Deutschland kein allgemeines Tempolimit braucht. Die vorgebrachten Argumente sind allerdings so wenig überzeugend, dass ich es mir erspare, erneut darauf einzugehen. Aber dann kam vor zwei Wochen die Kehrtwende bei der SPD. (Zuruf von der SPD: Das war ja gar keine!) Auf ihrem Parteitag fasste sie den Beschluss, den der Kollege Vogelsänger heute schon zitierte. Dazu kann ich nur sagen: Donnerwetter! Mit diesem Beschluss nähert sich die SPD übrigens zumindest im Bereich der Verkehrspolitik der Linken an. (Lachen bei der SPD) Sie zeigen damit, dass Sie lernfähig sind, und Sie arbeiten daran, für die Linke koalitionsfähig zu werden. Wir stehen gewissermaßen gemeinsam erstens für Klimaschutz und CO2-Reduzierung, zweitens für Verkehrssicherheit, weniger Verkehrsunfälle und Verkehrstote und drittens für kleinere und sparsamere Fahrzeuge. Aber machen wir uns keine Illusionen! Herr Tiefensee, der jetzt nicht anwesend ist, ließ als zuständiger Fachminister kürzlich verlautbaren: "Tempolimit für Klimaschutz nutzlos". Ja, was denn nun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD? Ich will Ihnen jetzt nicht zu nahe treten; aber Sie sollten vielleicht ganz einfach einmal darüber nachdenken, ob dieser Minister wirklich der richtige Mann ist, die Linie der Partei in der Regierung zu vertreten; (Beifall bei der LINKEN - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: "Die Linie der Partei"? Das war mal!) denn nicht nur beim Tempolimit, auch beim geplanten Verkauf von Anteilen der Bahn und bei der Besteuerung von Dienstwagen liegt der Minister nicht nur neben unserer Linie, sondern auch neben der seiner eigenen Partei. Davon einmal abgesehen, wäre es doch eine Revolution gewesen, wenn in unserem gelobten Land des Geschwindigkeitswahns der Verkehrsminister ein Tempolimit gefordert hätte. Aber Pustekuchen! Sehr bedauerlich ist auch, dass selbst der Umweltminister, der sich heute ebenfalls nur vertreten lässt, in diesen Kanon einstimmt. Erst befürwortet er ein Tempolimit, um es wenige Wochen später abzulehnen. (Ulrich Kelber [SPD]: Stimmt ja gar nicht!) Jetzt beginnt er ganz zaghaft, wieder eines zu fordern. Ich zitiere ihn: Wer ein Tempolimit allein zur Begrenzung des Kohlendioxidausstoßes befürworte, laufe Gefahr, sich in unnötigen Debatten zu verzetteln. Ich denke, der Minister hat sich hier wohl eher beim Basteln an seiner Karriere verzettelt, wenn ich die letzten Nachrichten richtig verstanden habe. (Zuruf von der SPD: Er hat es nie abgelehnt! Zitieren Sie es doch!) Konsequenterweise wurde der Antrag auf dem SPD-Parteitag gegen die ausdrückliche Empfehlung des Ministers beschlossen. Ich kann den Ministern Tiefensee und Gabriel nur sagen: Selbstverständlich dient ein Tempolimit sowohl dem Klimaschutz als auch der Verkehrssicherheit. Ich bin der Meinung, dass sich Deutschland endlich zu einer Vision Zero bekennen sollte; denn jeder und jede Verkehrstote sind einer und eine zu viel. (Beifall bei der LINKEN) Von daher ist es natürlich schon verwunderlich, dass sich das Verkehrsministerium für dieses Thema nicht erwärmen kann. Dort scheint man eher der Meinung zu sein, dass großflächige Plakate - wahlweise mit Tieren oder mit Prominenten - wirksamer als ein Tempolimit sind. Da ich gerade bei Tieren bin, stelle ich eine Frage an Herrn Gabriel, die Sie, Herr Staatssekretär, an ihn weitergeben können: Was sagt eigentlich Knut im Berliner Zoo zum Tempolimit? Hat nicht das Umweltministerium vor zwei Tagen mit sehr viel Wirbel die nationale Biodiversitätsstrategie verabschiedet, die nach den eigenen Aussagen des Ministers über 300 Zielvorgaben enthält? Aber Sie streben mit dieser Strategie nur Sachen an; verpflichten wollen Sie sich zu nichts. Ich freue mich jedenfalls, der SPD und besonders dem Umweltminister mitteilen zu können, dass wir die Bedeutung der Verkehrssicherheit in unserem Antrag selbstverständlich berücksichtigt haben. Wenn also nur der fehlende Bezug zur Verkehrssicherheit im Beschluss der SPD der Grund für dessen Ablehnung war, dann steht Ihrer Zustimmung zu unserem Antrag nichts im Wege. (Ulrich Kelber [SPD]: Außer Ihrer Rede!) Ein Wort möchte ich noch an meine Kollegin aus Lübeck, Frau Hiller-Ohm, richten. Sie ist heute leider nicht hier. Ich bedauere das sehr, da sie sich erst letzte Woche in einer Pressemitteilung im Wahlkreis Lübeck vehement für ein Tempolimit ausgesprochen hat und sehr engagiert dafür kämpft. Ich habe sie auch am 20. September bei der Abstimmung über unseren damaligen Antrag vermisst. Ich sage ihr trotzdem - sie verfolgt die Sitzung vielleicht am Fernsehgerät -: Frau Kollegin, lassen Sie Ihren Ankündigungen und Pressemitteilungen endlich Taten hier in Berlin folgen! Oder sind Sie tatsächlich der Meinung, dass die Menschen in Lübeck das nicht mitbekommen? Die Kollegin Heidi Wright war da wesentlich konsequenter. Sie hat unermüdlich für ein Tempolimit gestritten. Dafür gebührt ihr mein Respekt und meine Hochachtung. (Patrick Döring [FDP]: Vergiftetes Lob!) Bevor hier die Freude auf der rechten Seite überhandnimmt, möchte ich ein paar Worte an die CDU/CSU richten. Angela Merkel lässt sich gerne landauf, landab als Klimaschützerin feiern. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Zu Recht!) Was die internationalen Beschlüsse angeht, erkennen wir auch an, dass es Fortschritte gibt. Auf nationaler Ebene sieht die Bilanz aber sehr dürftig aus. Das vor wenigen Wochen mit großem Tamtam verkündete Klima- und Energiepaket droht im Dschungel der Ressortabstimmung vom Tiger zum Bettvorleger zu mutieren. Mit ihrer eindeutigen Absage an ein Tempolimit - ich zitiere: "Mit mir wird es das nicht geben" - hat Frau Merkel gezeigt, dass es ihr mit dem Klimaschutz nicht ernst ist. Ähnlich verhielt sie sich Anfang des Jahres, als sie die deutsche Autoindustrie vor allzu strengen Anforderungen der EU geschützt hat. Das Wohl der Industrie ist ihr wichtiger als das Wohl der Menschen und der Schutz des Klimas. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Auf internationaler Ebene Gas geben, aber zuhause auf der Bremse stehen: Das passt nicht zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Mein Gott!) In meiner letzten Rede zum Tempolimit erwähnte ich, dass die Mehrheit der Deutschen den Börsengang der Bahn ablehnt. Das Protokoll verzeichnet daraufhin "Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU". Verständlicherweise verzeichnet es keinen Beifall von Ihnen, als ich darauf hinwies, dass 73 Prozent der Deutschen ein Tempolimit befürworten. Verstehen Sie mich richtig: Ich erwarte nicht, dass ausgerechnet Sie mir Beifall klatschen. Das würde mir, nebenbei bemerkt, auch zu denken geben. Sie sollten aber zur Kenntnis nehmen, dass auch 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler der CDU/CSU für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometer sind. Ich frage mich, wer diese Menschen in Ihrer Fraktion vertritt. (Patrick Döring [FDP]: Darüber müssen Sie sich Ihren Kopf nicht zerbrechen!) Abschließend erinnere ich Sie und alle, die sich - aus welchen Gründen auch immer - gegen ein Tempolimit aussprechen, an das heutige Datum. Heute vor 18 Jahren fiel zu Recht die Mauer. Was kurz davor noch fast undenkbar schien, wurde Realität. Ich hoffe, dass Sie sich heute einen Ruck geben, damit auch beim Tempolimit das Undenkbare geschieht und die Mauer in Ihren Köpfen fällt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche ein schönes Wochenende. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Andreas Scheuer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Heilmann, dass Sie als Führungskraft in der DDR hier diesen symbolträchtigen Tag in Bezug auf die Wiedervereinigung ansprechen, zeigt, wie schizophren Ihre Politik ist. Denn in der Republik des Trabis fanden keine Diskussionen über Verkehrssicherheit oder Klimaschutz und sicherlich auch nicht über ein Tempolimit statt. (Heidi Wright [SPD]: Das ist jetzt aber ein bisschen schwach!) Das zeigt die Doppeldeutigkeit, mit der Sie Politik machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Anträge der Grünen und der Linken zum Tempolimit sind heute wieder einmal Symbolpolitik, reine Ideologie und parlamentarische Bewegungstherapie. Mein Kollege Storjohann hat Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen, schon den Spiegel Ihrer politischen Geschichte in Bezug auf das Tempolimit vorgehalten. Sie waren sieben Jahre in der Regierung. Gott sei Dank waren Sie so durchsetzungsschwach, dass Sie das Tempolimit nicht auf den Weg gebracht haben. Da der Herr Kollege Trittin vorhin mit Zwischenrufen geglänzt hat, möchte ich ihn fragen, wie oft er früher wohl unter Termindruck unterwegs war. Wenn er mit dem Dienstwagen (Jürgen Koppelin [FDP]: Und der Flugbereitschaft!) - und der Flugbereitschaft; danke für den Hinweis, Herr Kollege Koppelin - durch die Republik gereist ist, wird er sich wahrscheinlich auch nicht an die Richtgeschwindigkeit gehalten haben. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie gleich die Fahrbereitschaft am Hals!) Aber das ist die Scheinheiligkeit, mit der hier zu Werke gegangen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ohne die Steilvorlage, die der Kollege Kuhn für seine heutige Rede bekommen hat, hätte er die Rede wahrscheinlich gar nicht halten können, weil sie dann kein Volumen gehabt hätte. Ein einziger Presseartikel zum Bereich Tempolimit ist die Grundlage für seine ganzen Ausführungen. Aber das Thema ist vielschichtiger. Wir diskutieren hier zum zweiten Mal binnen weniger Monate darüber. Erst musste der SPD-Parteitag stattfinden, damit die Opposition aus Grünen und Linken reflexartig aus dem Oppositionsschlaf erwacht und das Thema aufgreift. Aber die Grundlage der Debatte sind wieder Verbote und Limits. Ihnen fällt nichts anderes ein, vor allem nicht, Politik auf der Basis von Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung zu machen. Vielleicht wird das Ganze noch darin gipfeln, dass Sie wegen dem Ausstoß von Treibhausgasen ein Weideverbot für Kühe beantragen, verbunden mit einem Arbeitsverbot für Landwirte. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Marco Bülow [SPD]: Passauer Festspiele!) Wir haben attraktive Autobahnen. Sie wollen durch solche Diskussionen diese Autobahnen in ihrer verkehrspolitischen Bedeutung degradieren, (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie unattraktiver machen und durch das Tempolimit Ausweichverkehre ermöglichen. Schauen Sie sich einmal die Unfallzahlen an. Wir arbeiten als Verkehrspolitiker wirklich hart daran, die Vision Zero zu erfüllen, die Zahl der Unfälle und der Verkehrstoten weiter zu reduzieren, weitere Verbesserungen in Europa zu erreichen. Sie können deutsche Autobahnen einfach nicht mit Autobahnen in Italien, zum Beispiel über den Brenner, vergleichen, die viel enger und kurvenreicher sind. Auf unseren älteren Autobahnen haben wir ohnehin schon ein Tempolimit, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Autobahnen durch München und Augsburg? Gucken Sie sich die mal an!) eine Verkehrsregelung, die dieser Autobahnsituation angemessen ist. Dort, wo die Richtgeschwindigkeit gilt und wo es keine Limitierung gibt, hat man die Möglichkeit, den Verkehr zu beschleunigen und die Mobilität zu erhöhen. Angesichts der Zahl der Verkehrstoten sind wir uns alle einig, dass wir weiterhin an der Reduzierung dieser Zahl arbeiten müssen. Wenn wir aber die Zahlen von Deutschland mit denen von Belgien, Österreich, Slowenien, Tschechien oder den USA vergleichen, dann schneidet Deutschland - auch ohne Tempolimit - viel besser ab. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Da ist also kein Zusammenhang festzustellen. Meine Damen und Herren, bezogen auf den Gesamtkraftstoffausstoß ist es sehr optimistisch gerechnet, dass der Ausstoß durch ein Tempolimit um 1,4 Prozent reduziert werden würde. Das Tempolimit würde allerdings zu einer unverhältnismäßig massiven Gängelung der Bürgerinnen und Bürger führen. Das halte ich für falsch. Umwelt- und Klimaschutz dürfen nicht reflexartig und blindwütig gemacht werden, sondern müssen sich an Realität und Vernunft anpassen. (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Vernunft, Herr Scheuer, vermisse ich bei Ihnen!) Bezogen auf Verkehrssicherheit und Klimaschutz ist ein Tempolimit die falsche Antwort. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mit einem Misstrauensantrag gegen die Bundeskanzlerin?) Das Tempolimit ist unsinnig in Bezug auf die Verkehrssicherheit, mobilitätspolitisch nachteilig und geht umweltpolitisch ins Leere. Führen wir doch lieber Verkehrssicherheitstrainings mit einem Spritsparmodul durch, vielleicht sogar verpflichtend. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Gängelei!) Es wird alles Mögliche angeboten, auch intelligente Verkehrsleitsysteme, die flexibel und innovativ sind. Setzen wir uns an die Spitze der Bewegung, damit wir in Europa mit diesen Verkehrsleitsystemen weiterhin Marktführer sind! Ein Appell an die Medien zu der Raserdarstellung. Frau Kollegin Künast, Sie machen ja immer die Andeutung, dass die unbeschränkte Geschwindigkeit gerade für Männer wichtig sei, quasi als Potenzmittel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, sprechen Sie es aus!) Es ist wirklich schäbig, wenn Sie so argumentieren. Denn die Berichte in den Medien über Raser, die mit einem großen Wagen durch das Land fahren und dabei ständig Gas geben, sich also unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit unvernünftig verhalten, zeichnen kein vollständiges Bild der Realität. Sehr viele Bürgerinnen und Bürger halten sich an die Richtgeschwindigkeit. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt unter 100 km/h, bezogen auf alle Straßen. Wir sollten ausreichend Kraft haben und auf die Eigenverantwortung und die Freiwilligkeit der Bürger setzen, anstatt ständig zu gängeln und mit Verboten zu drohen. (Beifall bei der CDU/CSU) Hätten wir bereits ein generelles Tempolimit, wäre das Autoland Deutschland definitiv nicht an der Spitze bei intelligenten Verkehrssicherheitssystemen. (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Ich möchte kein Autoland Deutschland!) Schauen Sie sich die Zahlen in den USA an! Bei der dortigen Produktion der großen Klimaschutzkiller orientiert man sich gar nicht an Verkehrssicherheitsaspekten. Wir sind an der Spitze der Bewegung für Innovation und Klimaschutz. Wir müssen die deutsche Automobilindustrie weiterhin auf diesem Weg unterstützen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Renate Künast [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das Frau Merkel gehört hätte!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Dr. Anton Hofreiter das Wort. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Andi, tut mir leid, aber das war unfreiwillig komisch. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Vorwurf der Potenzraser hat dich anscheinend so schwer getroffen, dass du dich rechtfertigen musstest. Das ist hoffentlich nicht das Bild von Bayern. Zurück zur Ernsthaftigkeit, denn es handelt sich um ein ernstes Problem. Die Regierung spricht gerne über den Klimaschutz und die Sicherung der Mobilität der Bürger. Aber unsere Aussitzkanzlerin Merkel und die traurigen Ankündigungsminister Gabriel und Tiefensee sind noch nicht einmal in der Lage, ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Dabei würde ein Tempolimit CO2 in der Größenordnung des Ausstoßes eines durchschnittlichen Kohlekraftwerkes einsparen sowie die Zahl der Toten und Schwerverletzten reduzieren. Wir behaupten sicherlich nicht, dass allein ein Tempolimit als Klimaschutzstrategie ausreicht. Aber es ist ein wichtiger Baustein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Angesichts der sinkenden Rohölvorräte gefährdet Ihre Verkehrspolitik, insbesondere die Ihres traurigen Verkehrsministers, die Mobilität der Bürger. Ihnen liegt offensichtlich nur etwas an der Mobilität für wenige Raser und Drängler. Ein Beispiel: Ein Porsche Cayenne verbraucht in der Spitze fast 70 Liter auf 100 Kilometer. Das wollen Sie weiter zulassen. Das ist ein Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN - Ortwin Runde [SPD]: Das ist ein Zerrbild, das Sie entwerfen!) So populistisch wie Sie von der CDU/CSU normalerweise sind, lassen Sie sich sagen: Die Mehrheit der Bürger ist mittlerweile für ein Tempolimit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Heidi Wright [SPD]) Im Bereich der Verkehrssicherheit ist die Nichteinführung eines Tempolimits ein Skandal. Gestern wurde bekannt, dass die Bundesanstalt für Straßenwesen bereits 1984 geschätzt hat, dass die Zahl der Toten durch ein Tempolimit um 20 Prozent reduziert werden könnte. Aber wie haben alle roten und schwarzen Verkehrsminister bis heute reagiert? Statt ein Tempolimit einzuführen, haben sie diese Studie weggeschlossen und der BASt weitere Untersuchungen verboten. Angesichts von 600 Toten sollten sie sich schämen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Wir haben die Senkung doch ohne Tempolimit geschafft! Guck dir doch die Zahlen an!) Die SPD beschließt auf ihren Parteitagen immer dann ein Tempolimit, wenn sie nicht an der Macht ist. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Was?) - Ich habe gesagt: nicht an der Macht. Sie mögen an der Regierung beteiligt sein. Aber angesichts Ihrer traurigen Ergebnisse muss man sagen, dass Sie nicht an der Macht sind. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN - Uwe Beckmeyer [SPD]: Anton, jetzt hast du aber überzogen!) Es wird uns vorgeworfen, dass wir damals, als wir mit 8 Prozent an der Regierung und der Macht beteiligt waren, kein Tempolimit eingeführt haben. Im Vergleich zu Ihren traurigen Ergebnissen in dieser Regierung waren wir grandios, sogar mehr als das. Angesichts dieser Tatsachen kann man der Mehrheit dieses Hauses nur eines sagen: Verabschieden Sie sich aus der verkehrspolitischen Steinzeit und führen Sie genauso wie alle anderen kultivierten Nationen ein Tempolimit für entspanntes Fahren, mehr Sicherheit und mehr Klimaschutz ein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Generallösungen, nichts anderes!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Gerd Bollmann. (Beifall bei der SPD) Gerd Bollmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme ein Ergebnis meiner Rede gleich vorweg: Sie von den Fraktionen der Grünen und der Linken wissen ganz genau, dass wir von der Koalition Ihren Anträgen nicht zustimmen werden, so richtig sie auch sein mögen. In der rot-grünen Koalition mussten Sie und wir ähnliche Erfahrungen machen; gegen den Willen des Koalitionspartners wird nicht gestimmt. Ich würde mich auch wundern, wenn im Berliner Senat die Parteitagsbeschlüsse der Linken eins zu eins umgesetzt würden. (Beifall bei der SPD) Von Vorführen kann hier absolut nicht die Rede sein. Aber in der Sache gebe ich Ihnen weitgehend recht. Ich bin froh, dass das Thema durch den SPD-Parteitagsbeschluss wieder Fahrt aufgenommen hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn der Parlamentarische Geschäftsführer der Union erklärt, in dem Parteitagsbeschluss der SPD erkenne er eine ideologisch linke Bevormundungspolitik, so muss erstaunt festgestellt werden, dass es offensichtlich auch in den USA diese linke Bevormundungspolitik gibt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Darüber hinaus: Außer in Nepal, Uganda und auf der Isle of Man hat diese linke Bevormundungspolitik offensichtlich weltweit Platz ergriffen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In Europa ist Deutschland das letzte Land, das sich den Luxus erlaubt, auf ein Tempolimit zu verzichten. In allen europäischen Ländern liegen die Begrenzungen zwischen 90 und 130 Kilometern pro Stunde. Für ein Land, dem in der Klimafrage eine Führungsrolle zugerechnet wird, ist dies meiner Meinung nach unglaubwürdig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Daher gilt: Ein guter Grund, der für das Tempolimit spricht, ist der Umweltschutz. Der Ausstoß von Treib-hausgasen ließe sich pro Jahr um mehr als 2,5 Millionen Tonnen CO2 reduzieren. Das ist ein Wert, der zu einer Zeit ermittelt wurde, als die Zahl der Kraftfahrzeuge und deren Leistung deutlich geringer waren. Seit 1992 erhöhte sich die Zahl der zugelassenen Kfz von 36 Millionen auf 55 Millionen, das ist eine Steigerung um mehr als 50 Prozent. Wir können also gut und gerne davon ausgehen, dass die Einsparungen deutlich höher wären. Es ist unverständlich, dass bis heute keine neuen Zahlen ermittelt wurden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Josef Göppel [CDU/ CSU] - Patrick Döring [FDP]: Im Gegenteil! Weil die Motoren viel effizienter geworden sind!) Ein Tempolimit wäre eine der wenigen Maßnahmen, die ohne jegliche Anlauf- und Investitionskosten durchzuführen wären. Die erreichten CO2-Einsparungen lassen sich trotz aller Versuche nicht kleinreden. Das energetische Gebäudesanierungsprogramm ist sicherlich in hohem Maße lobenswert, nicht nur allein wegen der vielen Arbeitsplätze, die dadurch geschaffen wurden. Aber warum ist eine Einsparung von 1 Million Tonnen CO2 bei der Gebäudesanierung und einem Einsatz von 1 Milliarde Euro viel, wenn eine Einsparung von 2,5 Millionen Tonnen CO2 beim Tempolimit wenig sein soll? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Energie- und Klimaschutzprogramm, das in Meseberg beschlossen wurde, soll unter Berücksichtigung bisheriger Maßnahmen für CO2-Einsparungen in Höhe von 36 Prozent gut sein. Wir brauchen aber 40 Prozent. Das Tempolimit wäre ein weiterer, wenn auch vielleicht kleiner Schritt hin zu diesem Ziel. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Oder anders und pragmatisch von Brandenburgs Verkehrsminister Dellmann ausgedrückt: Auch Kleinvieh macht Mist. - (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es wären keine komplizierten Verordnungen mit ellenlangen Anhängen nötig. Das zuständige Ministerium müsste nicht ganze Abteilungen allein mit der Frage der Durchsetzung beschäftigen, wie es vielfach bei anderen, technisch hochkomplizierten Punkten des Klimaschutzprogramms der Fall ist. Aber der Umweltschutz geht bekanntlich über den Schutz des Klimas hinaus. So ließe sich zum Beispiel auch der Ausstoß von Kohlenmonoxid und anderen Schadstoffen reduzieren, und nicht zuletzt würde auch die Lärmbelästigung abnehmen. Im Übrigen steigt der Schadstoffausstoß ab 130 Stundenkilometern exponentiell an. Die Gegner eines Tempolimits führen gerne den Verlust von Arbeitsplätzen in der deutschen Automobilindustrie ins Feld. Ich weiß natürlich, dass der Verlust von Arbeitsplätzen gern als Totschlagargument für alles Mögliche missbraucht wird. Circa 75 Prozent der in Deutschland produzierten Autos werden ins Ausland geliefert, und zwar nachweislich nahezu vollständig in Länder, in denen ein Tempolimit gilt. Der größte Teil der außereuropäischen Lieferungen geht mit mehr als einer halben Million Autos in die USA. Glauben Sie zum Beispiel, dass viele dieser Käufer in den Vereinigten Staaten wirklich wissen, dass wir in Deutschland immer noch mit 200 Stundenkilometern über die Autobahn brettern dürfen? Glauben Sie wirklich, wir verkauften auch nur ein einziges Auto weniger, wenn in Deutschland ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern eingeführt wird? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Was die Zukunft der Automobilindustrie betrifft: Ein Tempolimit würde die Entwicklungsbemühungen in fruchtbare Bahnen lenken. Nicht mehr die Leistungsstärke wäre ausschlaggebend, sondern Umweltverträglichkeit, Komfort und Sicherheit wären die Kriterien, an denen sich die Ingenieure messen lassen müssten. Es gibt gar kein besseres Mittel, die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie und somit Arbeitsplätze zu sichern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir Sozialdemokraten nehmen das Thema "Tempolimit" sehr ernst. Anträge, in denen die schnellstmögliche oder die sofortige Einführung gefordert werden, bringen uns aber nicht weiter, sondern schaden eher der gemeinsamen Sache. Ich bin sicher: Gute Argumente - ich bin überzeugt, dass sie eindeutig aufseiten der Befürworter eines Tempolimits sind - werden in Zukunft immer mehr Menschen von der Notwendigkeit eines Tempolimits überzeugen. Lassen Sie uns deshalb auch im politischen Alltag das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich für die FDP-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Ich hoffe, Sie berücksichtigen die Argumente Ihres Namensvetters aus dem UBA mal!) Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Abgeordneter, der diesem Hause schon ein bisschen länger angehört, habe ich einmal im Archiv gestöbert und festgestellt, dass ich vor ziemlich genau 16 Jahren meine erste Rede zum Thema "Tempolimit" gehalten habe. Damals war die SPD in der Opposition, auch die Linken, vertreten unter anderem durch die Abteilung Bündnis 90, und es gab eine übereinstimmende Argumentation für ein Tempolimit. Die seitdem diskutierten Fakten haben sich nicht verändert. Erstens. Mich fasziniert, Herr Kollege Hofreiter, dass Sie es trotz Ihres Appells, die verkehrspolitische Steinzeit zu verlassen, in der Phase von 1998 bis 2005 - damals haben Sie mit den Kollegen von der SPD offensichtlich die Grundüberzeugung geteilt, dass es besser ist, nicht für ein Tempolimit einzutreten - nicht geschafft haben, ein Tempolimit einzuführen. Entweder haben die Kollegen von der SPD ihre Anträge bis 1998 nicht wirklich ernst gemeint, oder Sie haben nicht nachhaltig versucht, das Ganze umzusetzen. Ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit würde Ihren Anträgen schon guttun. (Beifall bei der FDP) Sie stellen diese Anträge immer dann, wenn es dafür keine Mehrheit gibt. Aber wenn Sie dafür eine Mehrheit hätten - sieben Jahre hatten Sie dafür Zeit; in dieser Phase ist von Ihnen kein einziger Antrag gestellt worden -, stellen Sie sie nicht. Das macht Sie nicht glaubwürdiger. Zweitens. Herr Kollege Bollmann, Sie argumentieren auf der Basis von 1992 und stellen die Hochrechnung an, dass mit einem Ansteigen der Anzahl der Pkws auch die Ersparnis größer wird. Sie sollten wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass sich auch die Motortechnologie verändert hat, und zwar zum Positiven. Deswegen ist ein schlichtes Hochrechnen auf der Basis von 1992 nicht nachvollziehbar. (Widerspruch des Abg. Gerd Bollmann [SPD]) - Sie haben es gerade vorgerechnet. Ich habe Ihrer Rede doch zugehört. - Dieser Punkt ist, wie gesagt, aus meiner Sicht nicht ganz nachvollziehbar. (Beifall bei der FDP) Im Übrigen vergessen Sie hier offensichtlich, dass auf den Autobahnen in Deutschland weder eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 noch von 150 Stunden-kilometern oder noch schneller gefahren wird. Das ist aus Gründen der Dichte überhaupt nicht mehr möglich. Da Sie aus Wanne-Eickel kommen und in der Nähe des Kölner Rings wohnen, müssten Sie eigentlich wissen, worum es geht. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wanne-Eickel liegt nicht in der Nähe des Kölner Rings!) Ich bin im Übrigen gespannt, ob Sie mir wirklich einmal eine Autobahn zeigen können, auf der man noch ungestört 200 km/h fahren kann, wenn man es denn will. Es kann ja sein, dass das morgens um 3 Uhr irgendwo auf der A 20 möglich ist, aber Realität ist es auf deutschen Autobahnen nicht. (Frank Schwabe [SPD]: Warum stellen Sie sich dann so an? - Ulrich Kelber [SPD]: Dann ist es ja kein Problem!) - Herr Kollege Kelber, weder in der Opposition noch in der Regierung haben Sie einen Antrag für ein starres Tempolimit gestellt. Sie versuchen jetzt, mit einer festen Reglementierung - unabhängig von der Situation - ein Problem zu lösen, das Sie damit nicht lösen können. (Beifall bei der FDP) Wir sind schon immer für intelligente Verkehrsleitsysteme gewesen. (Heidi Wright [SPD]: Oh!) - Frau Kollegin Wright, Ihre geschätzte Kollegin Ferner hat, als sie noch verkehrspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion war, alle Anträge der damaligen Koalitionsfraktionen von Union und FDP zum Thema Telematik und intelligente Verkehrsleitsysteme abgelehnt. Sie hat geglaubt, uns mit Vorschlägen aus der Steinzeit - dazu gehörte beispielsweise das Aufstellen von Schildern - übertrumpfen zu können. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Steinzeit gab es überhaupt keine Verkehrsschilder!) - Ich orientiere mich nur an Ihrem Kollegen Hofreiter, der von verkehrspolitischer Steinzeit gesprochen hat. Wenn es eine verkehrspolitische Steinzeit gegeben hat, hat es wahrscheinlich auch dementsprechende Schilder gegeben, ganz zu schweigen davon, dass die Schilder aufgestellt und gepflegt werden müssen, was Geld kostet. (Beifall bei der FDP) Vor diesem Hintergrund ist es völlig eindeutig, dass Sie diesen Antrag heute nur gestellt haben, um die SPD zu ärgern. Das kann man als FDP gerade noch akzeptieren. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Das wird aber den Themen Unfallsicherheit, Todesrate auf Autobahnen und Erhöhung der Akzeptanz von Vorschriften nicht gerecht. (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP]) Ihrer Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit von Anträgen im Falle einer Regierungsbeteiligung haben Sie erst recht keinen Gefallen getan. (Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP]) Es bleibt wieder nur bei Schauanträgen, die nicht ernst gemeint sind. Vielleicht sollten wir uns irgendwann einmal ernsthaft über die Lösung der Probleme unterhalten und gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die Verkehrssicherheit in Deutschland über das Niveau hi-naus, das wir jetzt schon haben, weiter verbessern können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion der CDU/CSU hat nun der Kollege Dirk Fischer das Wort. Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland braucht kein Tempolimit. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Die Debatte darüber ist alt. Unsere Fraktion hat ein starres Tempolimit auf Autobahnen immer abgelehnt, und zwar aus guten Gründen. Fakt ist, dass die deutschen Autobahnen die bei weitem sichersten Straßen sind, um die wir weltweit beneidet werden. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen einem generellen Tempolimit und dem Sicherheitsniveau auf Autobahnen im internationalen Vergleich. Im Gegenteil: Unsere Maßnahmen sind viel erfolgreicher gewesen als die anderer Länder, die ein starres Tempolimit haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was wirkt hier zusammen? Es sind: Verkehrsleitsysteme, die aktuelle Informationen über die jeweils angepasste Geschwindigkeit im Sinne von § 1 der Straßenverkehrs-Ordnung liefern; spezielle Geschwindigkeitsbeschränkungen, die es auf Autobahnen zahlreich gibt; ein guter Straßenbau, im Hinblick auf die gesamte Verkehrssicherheitsbilanz ist insbesondere der Bau von Ortsumgehungen hervorzuheben, wodurch der Schwerlastverkehr aus den geschlossenen Ortslagen he-rausgehalten wird; Aufklärung und Erziehung in der Fahrschulausbildung und danach; die hohe Qualität unserer Kfz, die sich positiv auf Sicherheit und Umwelt auswirkt. Ein starres Tempolimit würde zu Rückverlagerungen des Verkehrs von den Autobahnen auf die Landstraßen führen, die oftmals noch durch geschlossene Ortschaften führen. Damit würden wir unserer Verkehrsunfallbilanz einen Tort antun, denn diese Landstraßen und insbesondere die innerörtlichen Straßen sind die gefährlichsten Straßen, die wir in Deutschland haben. (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Es ist schon gesagt worden, dass der Fahrleistungsanteil auf Landstraßen 40 Prozent beträgt, sich dort aber 60 Prozent aller tragischen Unfälle mit Todesfolge ereignen, obwohl es ein starres Tempolimit von 100 km/h gibt. Das ist fast viermal so viel wie auf unseren Autobahnen. (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Das wäre ein ganz schlechter Abschlag. Das würden wir mit der Verschlechterung unserer Verkehrsunfallbilanz teuer bezahlen. Man muss einmal daran erinnern: Wir hatten 1970 ohne die neuen Bundesländer, also mit einer um etwa 20 Prozent geringeren Fläche und Bevölkerung, fast 20 000 Verkehrstote. Heute liegt die Zahl leicht oberhalb von 5 000. Das ist eine gute Entwicklung, die wir weiterführen wollen, weil jedes Leben wertvoll ist und geschützt werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir müssen aber alles dafür tun, dass der Verkehr gebündelt da abgewickelt wird, wo das am sichersten ist, und das ist nun eindeutig auf den Autobahnen der Fall. Auch für den Umwelt- und Klimaschutz ergeben sich keine signifikanten Verbesserungen durch ein Tempolimit. Der Pkw-Verkehr ist an den CO2-Emissionen in Deutschland mit ungefähr 12 Prozent beteiligt. Ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen beträfe nur einen begrenzten Anteil des Verkehrs, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können auch Tempolimits in den Städten machen, wenn es Ihnen hilft!) nämlich nur den Autobahnverkehr, wo auf einem Anteil von rund 5 Prozent unseres gesamten Straßennetzes sensationelle 32 Prozent unseres gesamten Kfz-Verkehrs abgewickelt werden - sensationelle Bündelung! -, von diesem wiederum nur den Pkw-Verkehr und davon nur den Anteil Fahrleistung oberhalb 130 km/h. Zudem sind heute bereits knapp 40 Prozent des Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise geschwindigkeitsbeschränkt. Auf weiteren 9 Prozent des Netzes erfolgt eine Geschwindigkeitsregelung über Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Es ist schon gesagt worden: Mit unserem Haushaltsantrag wollen wir diesen Anteil möglichst zügig deutlich erhöhen. (Beifall des Abg. Jörg Vogelsänger [SPD]) Der Bundesumweltminister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es hier eher um eine Symbolpolitik geht; denn der Mehrverbrauch, der sich aus dem Nichtvorhandensein eines starren Tempolimits auf Autobahnen ergibt, beträgt etwa 250 Millionen Liter Kraftstoff im Jahr. Das sind rund 0,4 Prozent; bei der CO2-Emission ist das deutlich unter 1 Prozent. (Beifall des Abg. Patrick Döring [FDP]) Wenn man dies so zuspitzt, als würden das Heil und das Wohl des Landes davon abhängen, dann ist das, gelinde gesagt, eine zu große Übertreibung, als dass man sie ernst nehmen könnte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn überhaupt, geht es hierbei um einen marginalen CO2-Effekt. Gleiches gilt für den Bereich der Lärmemissionen. Autobahnen sind hauptsächlich außerorts gelegen. Führen sie durch Wohngebiete, haben wir heute dort eigentlich überall Tempolimits in Deutschland. Allgemein gilt, dass der Lkw-Anteil am Verkehr die Höhe des Lärmpegels bestimmt; denn 10 Lkw erzeugen so viel Lärm wie 100 Pkw. Das kann es also auch nicht sein. Umweltpolitisch wird hier eindeutig mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Statt starrer Verbote gilt es vielmehr, das flexible Instrument der Verkehrsbeeinflussungsanlagen noch stärker zu nutzen. Mit diesen Anlagen kann man flexibel auf Verkehrssituationen und Witterungsbedingungen reagieren, bei denen ein Tempo von 130 km/h viel zu hoch wäre. Ich stelle mir einmal vor: Nebel, Glatteisbildung, und da steht "130 km/h". Was ist das für eine Information an den Autofahrer? (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Reiner Unsinn! - Zuruf von der SPD: So ein Unsinn!) Da muss er wissen: In dieser Situation sind 30, 40, 50 km/h genug, gilt nicht das, was dort ausgeschildert worden ist. Anders als bei einem generellen Tempolimit können wir also aktuelle Informationen liefern. Deswegen finden solche Anlagen beim Autofahrer eine sehr hohe Akzeptanz. Wir haben damit auf der A 5 westlich von Frankfurt in der Gesamtentwicklung hervorragende Erfahrungen gemacht. Wer ein allgemeines Tempolimit fordert, muss es auch kontrollieren können. Daher müsste die Kontrolldichte durch die zuständigen Bundesländer deutlich erhöht werden. (Beifall des Abg. Jörg Vogelsänger [SPD]) Dann wäre schon jetzt aufgrund geltender Regelungen viel mehr möglich, insbesondere bei der Bekämpfung von extremen und hochgefährlichen Regelverstößen. Herr Kollege Hofreiter, Sie haben hier ein Zerrbild gezeichnet. Die deutschen Autofahrer, die deutschen Bürger, sind nicht halbwilde Nörgler, Drängler, Raser und, und, und. Es sind in aller Regel verantwortungsbewusste Leute. Die Einzelnen, die diesem Bild entsprechen, müssen wir herausfiltern und über entsprechende Bußgelder, Punkte oder Fahrverbote bewirken, dass sie den Führerschein endgültig verlieren. Denn die haben nicht das Verantwortungsbewusstsein, das wir von Autofahrern verlangen. Da sind wir uns hier alle einig. (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Deswegen spielen Sie diese extremen Verhaltensweisen bitte nicht gegen das allgemeine Thema aus! Das ist ein absolutes Zerrbild, das wir nicht im Raum stehen lassen dürfen. (Beifall bei der CDU/CSU) Es gibt leider Bundesländer, in denen eine ganz andere Tendenz vorherrscht: Dort wird die Kontrolldichte eher verringert, als dass sie erhöht wird, was ich sehr bedauere. Wer aber immer schärfere Regelungen einführt und immer weniger kontrolliert, macht aus dem Rechtsstaat einen Popanz nach dem Motto: Es steht zwar auf dem Papier; aber man braucht sich nicht darum zu kümmern, es ändert sich sowieso nichts. (Beifall des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]) Lassen Sie mich abschließend kurz feststellen: Ein Tempolimit würde die Interessen der Hersteller und der Kunden an immer besserer Sicherheits- und Fahrzeugtechnologie eher reduzieren. Eine Antriebsfeder für den technischen Fortschritt sollte aber sein, dass unsere Fahrzeuge im Zweifel auch für High Speed ausgerüstet sind, weil dies auch in anderen Geschwindigkeitslagen eindeutig positive Wirkungen hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Fischer, Sie müssen bitte Ihren letzten Satz formulieren. Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Wir glauben, dass wir mit einer verbesserten Fahrzeugtechnik, der Umstellung der Kfz-Steuer von der Hubraumbesteuerung auf die emissionsbezogene Besteuerung und dem Eintreten für Antriebsmotoren, die den Kohlendioxidausstoß verringern - Stichworte: Erdgas, Biokraftstoffe, Wasserstofftechnologie -, die richtige Richtung einschlagen. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Fischer, dazu haben wir in den Beratungen noch Zeit. Ich bitte Sie wirklich, zum Schluss zu kommen. Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Damit haben wir eine bessere Antwort auf die bestehenden Probleme als Sie mit einem starren Tempolimit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg van Essen [FDP]) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Heidi Wright das Wort. (Beifall bei der SPD) Heidi Wright (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Freude über den Parteitagsbeschluss der SPD zum Tempolimit hält immer noch an, ebenso meine Freude über die Unterstützung meiner Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Koppelin [FDP]: Unsere Freude auch! Das ist eine Schadenfreude!) Ich danke allen, die mithelfen, dass wir an diesem wichtigen Thema dranbleiben und gemeinsam zu guten und richtigen Ergebnissen kommen werden. Es ist nicht so, dass die Weisheit eines SPD-Parteitages sich flugs auf alle oder gar auf unseren Koalitionspartner, die Union, überträgt. Aber es ist klar: Dieser Beschluss hat Auswirkungen auf die SPD-Fraktion. Bei der Union strahlt mir die langjährige Erkenntnis des Kollegen Josef Göppel entgegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich weiß: Dies hat Strahlwirkung in Ihre Fraktion. Allerdings sind die Abwehrschirme von oben noch festgezurrt und festgespannt. Aber Sie werden sich noch wundern: Mit der Unterstützung der Bevölkerung werden wir dieses Thema voranbringen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir werden Mehrheiten dafür bekommen. Sie werden sich noch wundern, wie viel Drive das Thema eines Tempolimits von 130 Stundenkilometern hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich muss mich leider auf das Thema Verkehrssicherheit beschränken; (Jürgen Koppelin [FDP]: Haben Sie keine Hemmungen!) denn viele andere Punkte hat mein Kollege Gerd Bollmann schon angesprochen. Ich will den Vorspann, also den Hinweis auf unsere Bemühungen um gute Ansätze in der Verkehrssicherheit, weglassen und gleich zu den harten Fakten kommen. Harte Fakten sind: mehr als 5 000 Tote - Tendenz steigend; 75 000 Schwerverletzte. (Patrick Döring [FDP]: Aber nicht auf Autobahnen! Insgesamt!) Sie erleiden Schädelhirnverletzungen, Querschnittslähmungen und Verluste von Gliedmaßen. Diese Verletzungen führen zu dauerhaften Behinderungen. 12 Prozent dieser Verletzungen geschehen auf Autobahnen. Das sind horrende und besorgniserregende Zahlen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Der Verkehrsminister schlägt richtigerweise Spritspartrainings vor. Er propagiert Antiaggressionsaktionen. Dazu werden an den Autobahnen große Plakate aufgehängt. Darauf heißt es: "Gelassen läuft's" oder: Rasen ist wenig sexy. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das besagt alles; diese Aktionen sind richtig. Was sollen sie bewirken? Runter mit dem Tempo! (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN) Es hilft also kein Drumherumreden. Wir sind zu schnell auf deutschen Straßen, und zwar auf allen Straßen. (Jürgen Koppelin [FDP]: Kommen Sie mal nach Schleswig-Holstein! Da können Sie gar nicht 130 fahren!) Deshalb überschreibe ich meine Vorschläge in diesem Zusammenhang mit "Entschleunigung". Es geht nicht nur um ein Tempo von 130 Stundenkilometern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sind zu schnell, und bei der Verkehrssicherheit - das ist unsere Aufgabe - bleiben wir unter unseren Möglichkeiten. Das ist tödlich. Wir brauchen ein Tempolimit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nein!) Wir erkennen, dass wir in der Verkehrssicherheitspolitik wieder mehr bei den Menschen ansetzen müssen. Somit heißt es im Vorspann des neuen Bußgeldkatalogs: 95 Prozent der Unfälle sind auf das Fehlverhalten des Fahrers zurückzuführen. - Das bedeutet, dass wir die Technik nicht wie in der Vergangenheit, in der wir uns bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit hauptsächlich auf die Technik verlassen haben, über alles stellen dürfen. Technik ist das Zauberwort. Wenn es dann gar noch als "intelligente" Technik garniert wird - toll! Liebe Kollegen, Technik ist nicht alles. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, wir müssen wieder mehr die Menschen, auch die Defizite der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Beim Dreiklang der Verkehrssicherheit - Mensch, Maschine und Infrastruktur - darf der Mensch nicht vernachlässigt, aber auch nicht überfordert werden. Der Mensch macht Fehler. Bei höheren Geschwindigkeiten - das soll doch jemand einmal widerlegen! - sind die Fehler fataler, oft tödlich. Das ist eine Tatsache. Leider fehlen uns in Deutschland - darauf haben viele Kollegen hingewiesen - aktuelle Grundlagen. Ich habe heute Morgen mit dem Präsidenten des UBA gesprochen. Präsident Troge ist beauftragt - das wird noch konkretisiert -, neue Daten schnell zu ermitteln, sie wissenschaftlich aufzuarbeiten und uns zur weiteren Entscheidung vorzulegen. Der Präsident sagte mir, seine Erwartungen bei den Emissionseinsparungen gingen weit über 2,5 bis 3 Millionen Tonnen hinaus. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber wir haben bereits Grundlagen. Es gibt die Studie aus Brandenburg - gestern vorgelegt und heute schon viel zitiert. Weiterhin haben wir Grundlagen in Form der zweijährigen Unfallverhütungsberichte. Wir haben internationale Grundlagen des ETSC, des European Transport Safety Council. All diese Grundlagen lassen jetzt schon Schlüsse zu. Diese Schlüsse drängen sich regelrecht auf. Unangepasste Geschwindigkeit ist die Hauptunfallursache. Die Risikogruppe junge Männer - das sind 8 Prozent - verursacht ein Drittel aller Unfälle. Aber gerade diese Gruppe ist gegen ein Tempolimit. Da liegt es doch in meiner, in unserer Verantwortung, dass wir die Sicherheit auch dieser jungen Menschen gewährleisten. - Ich habe noch so vieles aufgeschrieben und hätte vieles zu sagen, aber die Zeit drängt mich. Zum Schuss: Das Tempolimit wird kommen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. (Patrick Döring [FDP]: Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit bewiesen!) Viele sagen abschätzig: Das ist Symbolpolitik. Ja, das ist ein gutes Symbol für unsere Verantwortung, und das ist ein Signal für Veränderung hin zu mehr Verkehrssicherheit und zu mehr Klimaschutz. Sprüche wie "Freie Fahrt für freie Bürger" oder gar "Des Deutschen liebstes Kind ist das Auto" sind absolut out und bewirken ein peinliches Image für Deutschland. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Wright, der Kollege Koppelin möchte Ihnen mit einer Zwischenfrage die Chance geben, noch etwas zu sagen. Lassen Sie sie zu? Heidi Wright (SPD): Ja, gut, wunderbar! Jürgen Koppelin (FDP): Frau Kollegin, nachdem ich Ihnen aufmerksam zugehört habe, darf ich einmal fragen, warum Sie in der Zeit, als Sie den Bundeskanzler gestellt haben - da war es Herr Schröder -, nicht das gemacht haben, was Sie uns jetzt hier als Weisheit verkünden. Heidi Wright (SPD): Das ist ganz wichtig, und ich nehme das auf meine ganz persönliche Kappe. Wir haben damals keinen solchen Antrag gestellt. Es gab im Jahr 2000 einen Antrag - Berichterstatter war damals Albert Schmidt von den Grünen -, den wir damals allerdings abgelehnt haben. Wir hatten argumentiert, wir hätten Sympathie für den Antrag, aber die Bevölkerung würde nicht in Gänze dahinterstehen. Die Zeiten haben sich geändert, und wir haben uns geändert. Wir werden ein Tempolimit bekommen. Glück auf, Kollegen! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Patrick Döring [FDP]: Sie machen Politik nach Umfragewerten! Da würde ich mir ziemlich viele Gedanken machen bei den aktuellen Werten, Frau Kollegin - bei 30 Prozent! - Jürgen Koppelin [FDP]: Politik nach Umfragen!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Uwe Beckmeyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine engagierte, manchmal ideologische, manchmal auch emotionale Debatte erlebt. Aber ich frage den Deutschen Bundestag: Was wollen Sie denn tun? Es ist keine Mehrheit im Deutschen Bundestag zu erwarten. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt hier schon eine Mehrheit!) - Herr Kuhn, Ihre Initiative hat doch mit Ihrem Parteitag zu tun - das sage ich einmal ganz nüchtern -; das ist nicht nur Eigennutz Ihrer Partei. Das ist doch wahrscheinlich ganz persönlich motiviert. - Aber sei's drum! Wir haben lange nicht mehr 75 Minuten lang über dieses Thema diskutiert. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir es aber genossen. Was tut der Deutsche Bundestag jetzt? Das ist der entscheidende Punkt. Sind wir Manns oder Frau genug, haben wir die Kraft, etwas auf den Weg zu bringen, das sowohl der Verkehrssicherheit dient als auch zu einer Verminderung des CO2-Ausstoßes auf deutschen Autobahnen und deutschen Straßen generell führt? An dieser Stelle möchte ich einmal sagen: Jemand, der auf einer Landstraße oder Bundesstraße zu Tode kam, ist genauso ein Verkehrstoter wie jemand, der auf einer Autobahn zu Tode kam. Manchmal gewinnt man nämlich den Eindruck, die Autobahn sei eine besondere Art von Straße und Unfälle dort seien besondere Unfälle. Ich möchte deutlich in Erinnerung rufen, dass drei Viertel der Unfälle auf Außerortsstraßen nicht auf Bundesautobahnen stattfinden. Was tun wir? Die Koalition bereitet einen Antrag vor - das kündige ich hier an -, der den Gesichtspunkten der CO2-Reduzierung, aber auch der Reduzierung der Zahl der Unfallschäden und Unfalltoten auf deutschen Straßen gerecht werden soll. Wir wollen eine Reduzierung der Zahl der Unfalltoten und eine Reduzierung der CO2-Emissionen. Das ist eine klare Orientierung. In der heutigen Debatte haben Sie mitbekommen, dass in der Koalition hinsichtlich eines generellen Tempolimits von 130 km/h auf Autobahnen keine Einigkeit herrscht. Gleichwohl finde ich es angemessen, dass dieses Ziel in der Koalition verfolgt wird. (Beifall der Abg. Heidi Wright [SPD]) Wir haben uns vorgenommen, beim Fahrverhalten der Menschen anzusetzen. In absehbarer Zeit wird ein entsprechender Antrag in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages beraten. Wer mit Bleifuß fährt, trägt stark zu dem unangemessen hohen CO2-Ausstoß bei. Wenn wir es erreichen, dass die Menschen in Deutschland ihr Fahrverhalten ändern und selbstbestimmt ein kraftstoffsparendes Fahrverhalten an den Tag legen, kann die CO2-Emission deutlich reduziert werden, was notwendig ist. Wir müssen bei der Schulung von Fahrern ansetzen. (Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Fahrerinnen und Fahrer von Fahrzeugen mit 2,8 bis 3,5 Tonnen legen ein unangemessenes Fahrverhalten an den Tag. Das ist eine kleine schnelle Einheit, die auf deutschen Autobahnen eine Art Flugersatzverkehr betreibt. Das betrifft auch die Umzugsfahrzeuge auf deutschen Autobahnen. Dies muss uns nachdenklich stimmen und zu der Überlegung bringen, ob wir nicht bei diesen Fahrzeugtypen ansetzen können, um eine Reduzierung der Unfallträchtigkeit zu erreichen. Wir müssen uns verstärkt um den Einsatz von Fahrassistenztechniken in diesen Fahrzeugen kümmern. Das ist möglich. Die Industrie bietet entsprechende Techniken an: Fahrzeuge mit Bremsverstärkern, die verhindern, dass das Fahrzeug aus der Spur kommt, und Fahrzeuge, bei denen nicht nur Haltepunkte für die Sicherung der Ladung vorgesehen sind, sondern die echte Ladesicherungssysteme an Bord haben. Ich denke, das sind wichtige Punkte. Wir werden Ihnen das in einem Antrag präsentieren. Wir sind dafür, dass für Kraftfahrzeuge dieser Gewichtsklasse in der Bundesrepublik Deutschland generell ein Tempolimit gilt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Auch dazu werden wir Ihnen einen Antrag vorlegen. Bezogen auf die Verkehrssicherheit müssen wir uns angesichts des tatsächlichen Geschehens auf Außerortsstraßen überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, mit Unterstützung der Länder gerade auf diesen Straßen die erlaubte Geschwindigkeit stark zu reduzieren. (Beifall der Abg. Heidi Wright [SPD]) Es kann nicht sein, dass drei Viertel aller tödlichen Verkehrsunfälle durch unangemessenes Fahrverhalten, unangemessene Geschwindigkeit auf baumbestandenen Alleen - ob es nun eine Landstraße oder eine Bundesstraße ist - verursacht werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Patrick Döring [FDP]) Zum Schluss ein Appell des Bundestages an die Länder: Das alles ist nichts wert, wenn nicht mehr Verkehrsüberwachung stattfindet. Wir brauchen eine stärkere Verkehrsüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland, um der Tendenz zum Rasen bei Einzelnen entgegenwirken zu können. Ich glaube, das ist wichtig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Diese Koalition wird die Kraft finden, bei der Verkehrsbeeinflussung noch mehr auf die Tube zu drücken. Verkehrsbeeinflussung auf deutschen Autobahnen gibt es heute schon. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht. Aber wir wissen auch: Verkehrsbeeinflussung bedeutet Stauvermeidung, CO2-Reduzierung und einen Rückgang der Zahl schwerer Unfälle auf Autobahnen. Gleichzeitig bedeutet es einen deutlichen Zuwachs an Sicherheit. Ich habe jetzt für die Koalition ein kleines Bündel von Maßnahmen vorgestellt. Wir wollen im Deutschen Bundestag mit diesem Maßnahmenbündel demnächst unseren Beitrag zur CO2-Reduzierung und zur Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen leisten. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 16/6894 mit dem Titel "Tempolimit 130 km/h auf Autobahnen sofort einführen". Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht namentliche Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung, und zwar federführend an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und mitberatend an den Innenausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den Ausschuss für Tourismus sowie an den Haushaltsausschuss. Die Abstimmung über den Antrag auf Ausschuss-überweisung geht nach ständiger Übung vor. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? - Gegenprobe! - Gibt es Enthaltungen? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 16/6894 nicht ab. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/6932 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.