Hallo zusammen,
wieder mal ein interessantes Thema zur Fahrdynamik.
Zur Bestätigung und Zusammenfassung der hier bereits stattgefundenen Analyse nachfolgend noch mal ein paar Ausführungen von mir:
Das Phänomen, dass du beschreibst, wird in Fachkreisen auch "schwache Hinterachse" genannt. Wie der Name schon sagt, ist die Hinterachse in Relation zur Vorderachse zu "schwach". Das "schwach" bezieht sich hier auf die Eigenschaft "Schräglaufsteifigkeit".
Die Schräglaufsteifigkeit ist der Anstieg der Seitenführungskraft des Reifens, wenn dieser aus der Fahrrichtung ausgelenkt wird (die Auslenkung des Reifens wird Schräglaufwinkel genannt). Die Einheit der Schräglaufsteifigkeit ist daher Newton/Grad. (Siehe Bild im Anhang)
Für das Fahrzeughandling ist prinzipiell ein hohes Niveau an Schräglaufsteifigkeit besser, aber in jedem Fall muss die Balance zwischen Vorder- zu Hinterachse stimmen (Fahrzeugabhängig)!
Winterreifen haben aufgrund des sehr stark eingeschnittenen Profils und der relativ weichen Mischung eine deutlich geringere Schräglaufsteifigkeit als Sommerreifen.
Das Handling ist also prinzipiell auf einem niedrigeren Niveau.
Mit zunehmenden Verschleiß bzw. abnehmender Profiltiefe steigt die Schräglaufsteifigkeit jedoch wieder an, da die Profilblöcke steifer werden. Das führt dazu, dass abgefahrene Reifen eine etwa um 30% höhere Schräglaufsteifigkeit haben können, als neue Reifen des selben Produkts!
Beim S2000 wäre aufgrund der Gewichtsverteilung von 50:50 und der nur moderat untersteuernden Fahrwerksabstimmung eine in etwa identische Schräglaufsteifigkeit an Vorder- und Hinterachse optimal. In keinem Fall sollte m.E. die Hinterachse schwächer als die Vorderachse sein, insbesondere nicht, wenn das allgemeine Level bereits sehr niedrig ist!
Dies ist im vorliegenden Fall jedoch passiert, da halb abgefahrene Winterreifen an der Vorderachse mit neuen Winterreifen an der Hinterachse kombiniert wurden.
Im übrigen sorgt die Mischbereifung am S2000 dafür, dass die breiteren Reifen der Hinterachse eine gegenüber der Vorderachse leicht erhöhte Schräglaufsteifigkeit haben sollten, und somit ein präzise und stabile Hinterachse gewährleisten!
Meine Ausführungen beziehen sich auf den sogenannten "linearen Bereich" der Reifencharakteristik und Fahrdynamik. Hier geht es hauptsächlich um Reaktionsgrößen und Reaktionszeiten der Vorderachse und Hinterachse auf kleine Lenkimpulse des Fahrers. Allerdings ist in deinem beschriebenen Fall die Hinterachse bereits so schwach, dass man von einem deutlich übersteuerndem Fahrverhalten ausgehen muss. D.h. der Schwimmwinkel (Schräglaufwinkel des Fahrzeuges, maßgeblich bestimmt durch die Schräglaufsteifigkeit der Hinterachse) wird viel zu groß und führt zum beschriebenen Phänomen der schwimmende und richtungsinstabilen Hinterachse.
Mit Grip und Grenzbereich hat dies eher weniger zu tun. Unter nassen Bedingungen oder im Schnee hat der neue Reifen in der Regel sogar mehr Grip.
Da der Weg in den Grenzbereich aber über den linearen Bereich führt, haben Defizite im linearen Bereich bei gewissen Fahrmanövern auch Auswirkungen auf die Fahrstabilität im Grenzbereich (bspw. bei starken Lastwechseln).
Gruß,
SennaH