So Servus Zusammen,
ich lese schon länger im Forum mit, hab aber bisher auf Beiträge verzichtet, da ich eigentlich als ersten Post in die Vorstellungsrunde schreiben wollte.
Da ich das Thema hier sehr interessant finde, schalte ich mich trotzdem mal ein. Die Vorstellungsrunde folgt dann in ein paar Wochen, wenn ich mal die Zeit finde ordentliche Fotos von meinem Wagen zu schießen.
Kurz zu meiner Person: Ich bin Maschinenbauingenieur im Bereich Getriebetechnik. Mit Mechanik kenne ich mich dementsprechend einigermaßen aus. Zu Verbrennungsmotoren habe ich zumindest Grundlagenwissen (Habe im Studium KFZ-Antriebstechnik vertieft).
Ich versuche mal diese erwähnten Phänomene von der mechanischen Seite zu beleuchten (Mechanik als Fachbereich der Physik). Ich sehe zu die physikalischen Vorgänge möglichst einfach darzustellen, auf ein paar Formeln kann ich allerdings nicht verzichten. Hier und da werde ich etwas vereinfachen. Fachbegriffe versuche ich zu vermeiden oder wenigstens zu erklären. Als Formelzeichen halte ich mich an Wikipedia, falls sich jemand dort weiterbilden möchte. In der Mechanik und Antriebstechnik werden teilweise andere Formelzeichen verwendet.
Kurz zu den Grundlagen:
Newton hat damals postuliert, dass eine Trägheit immer (!) der Beschleunigung entgegen wirkt. Das gilt auch für Kreisbewegungen, dort heißt das dann Winkelbeschleunigung und ihr entgegen wirkt das Trägheitsmoment.
Für "lineare" Bewegungen heißt die Formel für die Kraft: F = m * a (F = Kraft, m = Masse, a = Beschleunigung)
Für Kreisbewegungen gilt: M = J * alpha (M = Drehmoment, J = Trägheitsmoment, alpha = Winkelbeschleunigung)
Das Prinzip ist für beide Bewegungen gleich (auch wenn die Einheiten andere sind).
In beiden Fällen gilt: ein positives Vorzeichen für a bzw. alpha ist das was man allgemein als Beschleunigung bezeichnet (Erhöhung der Geschwindigkeit)
Ein negatives Vorzeichen ist eine Bremsung. Physikalisch ist das beides dasselbe!
Wir stellen die Gleichung nun nach a bzw. alpha um:
a = F/m
alpha = M/J
Die Beschleunigung hängt also im Prinzip nur von unseren Kräften und unseren Trägheiten ab. (Kurzinfo: m ist in Realität nicht gleich der Fahrzeugmasse! Näherungsweise kann man allerdings damit rechnen)
Um unser Fahrzeug zu beschleunigen müssen wir also eine Kraft, gegen die Trägheit (Masse!) aufbringen. Ohne Kraft wird der Wert der Beschleunigung 0 und die Geschwindigkeit bleibt konstant.
Im realen Fall gibt es natürlich Luftwiderstand, Rollreibung, Reibung im Antriebsstrang usw. Diese Widerstände nehmen wir für die Beschleunigung des Fahrzeugs negativ an. Hätten wir diese Widerstände nicht könnte man ein Auto auf 100 km/h beschleunigen und dann ewig (ohne Spritverbrauch) weiterfahren, denn: Ohne Kräfte keine Beschleunigung, egal ob positiv oder negativ!
Für den Motor (bzw. alle drehenden Teile) gilt das gleiche. Um die Drehzahl zu erhöhen müssen wir ein Drehmoment aufbringen, welches den Motor gegen das Trägheitsmoment des Motors beschleunigt (im ausgekuppelten Fall).
Offtopic: Deshalb verbessert sich übrigens auch das "Ansprechverhalten" des Motors wenn man leichtere Schwungräder und Riemenscheiben einbaut. Wir reduzieren das Trägheitsmoment J und damit erhöht sich (bei gleichem Drehmoment) automatisch die Winkelbeschleunigung. Der Motor "dreht schneller hoch" (und auch runter
).
Zusammengenommen für unser Fahrzeug/Motor sieht das nun so aus:
a = (F_Antrieb - F_Widerstand) / m
alpha = (M_Antrieb - M_Widerstand) / J
Was bedeutet das für die Beschleunigung des Fahrzeugs wenn wir die Kupplung treten?
F_Antrieb fällt weg, F_Widerstand bleibt ungefähr gleich. Unsere Gesamtkraft wird damit negativ, die Masse bleibt positiv -> Daraus folgt, dass unsere Beschleunigung negativ wird. Das Fahrzeug bremst.
Ich denke das kann jeder aus seiner persönlichen Erfahrung nachvollziehen 
Dasselbe gilt natürlich auch für die Drehbewegung des Motors: alpha = -M_Widerstand / J
Lange Rede kurzer Sinn: Bisher wurden in diesem Thread 2 Phänomene diskutiert, zu denen ich zumindest Vermutungen anstellen kann:
Phänomen 1: Das Fahrzeug beschleunigt weiter obwohl die Kupplung getreten wurde
- Mir ist das Phänomen so nicht bekannt, wenn ich auskuppel hört das Auto auf zu beschleunigen (siehe auch a = F/m, F_Antrieb ist hier 0, a muss also <= 0 werden)
- Meiner Meinung nach liegt die "Erhöhung der Geschwindigkeit" daran, dass der Tacho die Geschwindigkeit einfach zu langsam aktualisiert
Phänomen 2: Trotz Fuel Cut-Off erhöht sich die Drehzahl des Motors noch einen Moment weiter
Ich war noch nie im Begrenzer, kann mir aber vorstellen, dass dieses Phänomen existiert.
Welche Erklärung kann ich ausschließen?
- Eine "Trägheit der Beschleunigung" gibt es definitiv nicht. Findet keine Verbrennung statt, so gibt es keine Kraft auf den Kolben und unsere Reibungskräfte bremsen den Motor ab. Es gilt alpha = -M_Widerstand / J
Wenn die Drehzahl steigen soll benötigen wir ein Drehmoment, dazu habe ich folgende Theorien (die natürlich nicht stimmen müssen aber mMn. plausibel sind):
1: Durch die Volllastanfettung ist noch ausreichend Sprit in Zylinder und Saugrohr um weitere Verbrennungen zu starten (Vorausgesetzt die Zündung wird nicht unterbrochen)
2: Der Fuel Cut-Off ist nicht schnell genug bzw. und es landet noch etwas Sprit im Saugrohr
In beiden Fällen finden noch Verbrennungen statt, ob diese Fett oder Mager ablaufen ist erstmal egal.
3: Hier wird es etwas komplizierter und ich muss vorher erwähnen, dass dieser Effekt zwar existiert, ich aber nicht einschätzen kann wie groß die Auswirkungen sind ->
Alle Teile im Antriebsstrang sind elastisch, d.h. sie verhalten sich wie Federn. Federn sind Energiespeicher. Wir können Energie hinzufügen (zusammendrücken) und wieder Energie entnehmen (entspannen). Wenn wir Drehmoment auf den Antriebsstrang geben werden diese Federn gespannt. D.h. Wellen verdrillen sich, Lager und Verzahnungen federn ein. Wenn wir nun plötzlich die Last vom Antriebsstrang nehmen (Fuel Cut Off) dann entspannen diese Federn sich wieder. Die gespeicherte Energie muss dann irgendwo hin. Abgesehen von Reibung gibt es hier nur 2 Möglichkeiten: Zum Antrieb oder zum Abtrieb. D.h. am Antrieb würde diese Energie dazu führen, dass die Motordrehzahl sich erhöht. Am Abtrieb würde das Auto (minimal) beschleunigt werden. Die Aufteilung hängt von den Steifigkeiten im System ab.
Wie gesagt, den Effekt wollte ich erwähnen, ich kann aber aktuell nicht einschätzen, ob er überhaupt spürbare Auswirkungen hat (Vielleicht erhöht sich die Motordrehzahl auch gar nicht und die "Federenergie" kämpft nur etwas gegen die Reibung im System). Ich gehe davon aus, dass Auswirkungen minimal sind und die anderen beiden Effekte überwiegen.
4: Was mir spontan noch eingefallen ist sind Schwingungen im Antriebsstrang. Diese können durchaus dazu führen, dass der Motor noch etwas beschleunigt. Diese Schwingungen kann man z.B. sehr gut spüren wenn man im ersten Gang vom Gas geht. DIeses Ruckeln, dass man dann spürt sind Schwingungen im Antriebsstrang.
Das war mein Senf dazu. Ich hoffe die Grundlagen sind einigermaßen klar geworden. Für Nachfragen (und ggf. Korrekturen) bin ich offen. Ich kann allerdings nicht versprechen, dass meine Antwort immer so ausführlich wird.
@Rox>S2k: Die Relativitätstheorie wird im Alltag keine relevanten Auswirkungen auf dein Auto haben 
Viele Grüße
Andreas (wie gesagt, Vorstellungsrunde folgt demnächst)