ZitatAlles anzeigenQuelle: Welt am Sonntag, 14. Juni 2009, Autor: Björn Engel
Honda S2000 – Das Motorrad mit vier Rädern stirbt
Es ist ein Grund zur Trauer: Eine der faszinierendsten Fahrmaschinen aller Zeiten wird nicht länger gebaut. In den zehn Jahren seines Lebens erhielt der S2000 fünfmal den Titel des "International Engine of the Year". Warum? Um einem Weltrekordler der speziellen Art seinen Platz in der Autogeschichte zu sichern.
Er ziert sich ein wenig, der Testwagenchef von Honda: „Aber schön vorsichtig damit“, sagt Stefan Beckmann und blickt einem tief in die Augen. „Wir haben hier nur einen einzigen davon da.“ Braves Kopfnicken des Gegenübers führt keineswegs zur Aufhellung der Miene. Doch schließlich werden die Schlüssel für den S2000 überreicht. Vorsichtig, ganz vorsichtig rollt der Wagen kurz darauf an der schönen neuen Hybridwelt von Honda vorbei. Mehrere Insight geben dem S2000 das Geleit vom Hofgut von Hünersdorff hinunter auf die Landstraße bei Wörth am Main.
Doch nicht zur Jungfernfahrt bricht das seltene Gefährt auf sondern zu seiner eigenen Beerdigung: Die Produktion des Roadsters wird noch in diesem Monat eingestellt. Das war es dann – bye-bye und Sayonara S2000. Nach exakt zehn Jahren heißt es Abschiednehmen von einer der faszinierendsten Fahrmaschinen, die je über Asphalt rollten. Seine vier Zylinder wurden fünf Mal mit dem Titel „International Engine of the Year“ ausgezeichnet. Ganze 240 PS presst das Aggregat aus nur zwei Litern Hubraum und hält damit noch immer den Weltrekord bei Saugmotoren im Serienbau. Kein Turbo, kein Kompressor – schlichte Motorleistung ohne Aufladung jedweder Art.
Wem das alles nichts sagt, dem sagt vielleicht das Wort „Drehzahl“ etwas. 7500 Umdrehungen pro Minute muss die Kurbelwelle rotieren, um die maximale Kraft von 208 Newtonmetern zu entwickeln, ab 9000 Umdrehungen beginnt im Cockpit auf dem Drehzahlmesser der rote Bereich. Wer jetzt entgeistert auf seine eigenen Instrumente blickt, dem darf zur Beruhigung mitgeteilt werden: In der Regel sind das die Regionen, wo Vierzylinder von Motorrädern wie einer Honda Hornet den Fahrbetrieb bereits mit fiesem Kreischen untermalen.
Der S2000 ist in dieser Hinsicht zwar ein wenig besser erzogen, wer aber auf Geräuschkulisse steht, wird auch hier bestens bedient. „Dem Motorradfahren auf vier Reifen kommt er schon ziemlich nahe“, sagt Honda-Sprecher David Plättner, der eigentlich auf Umweltthemen spezialisiert ist, seine Faszination für die Drehorgel aber nur schwer verbergen kann.
Überraschend ist das nicht. Kaum den gestrengen Blicken des Testwagenchefs entronnen, geht es in den Naturpark Bergstraße-Odenwald. Mit fröhlichem Halali aus den beiden Endrohren wird zur Jagd geblasen. Welches mag der kleinste Gang sein, der das Limit auf Landstraßen knackt? Es ist bereits der zweite. 105 km/h stehen auf der Anzeige, als das Balkendiagramm des Drehzahlmessers in den roten Bereich läuft. Den Spurt zuvor auf 100 km/h soll der Roadster laut Herstellerangabe in 6,2 Sekunden erledigen.
Die 9,9 Liter Superplus, die der S2000 im EU-Normzyklus verbrauchen soll, sind bei solchen Orgien selbstredend Makulatur. Und über 238 Gramm CO2 pro Kilometer werden Flora und Fauna des Odenwaldes wohl nur mit dem Kopf schütteln. Letztlich sind es auch solche Daten, die Honda von einer Generalüberarbeitung des S2000, wie sie kürzlich etwa noch für den Roadster Mazda MX-5 erfolgte, Abstand hat nehmen lassen.
„Der Aufwand gemessen an der Stückzahl wäre zu hoch gewesen“, sagt Plättner. Dabei dürfte die notwendige größere Größe der Außenspiegel für Europa noch das geringste Problem gewesen sein. Die Abgasvorschriften in den USA wären mit diesem einzigartigen, aber eben veralteten Motorenkonzept hingegen kaum zu schaffen gewesen. In Japan haben sich zudem die Crashbestimmungen so verändert, „dass wir an die Karosserie heran gemusst hätten“, sagt Plättner. „Das wäre bei den kleinen Stückzahlen, die wir inzwischen von dem Auto verkaufen, kaum vermittelbar.“
Im Mai waren es gerade noch zehn Stück, die Honda vom S2000 in Deutschland absetzen konnte. Im gesamten Sportwagensegment bedeutete dies einen Marktanteil von 0,2 Prozent. Im Vergleich zum BMW Z4 (1099/21,1 Prozent), Porsche 911 (767/14,7 Prozent), Audi TT (716/13,7 Prozent), Opel GT (693/13,3 Prozent) oder Mercedes SLK (695/13,3 Prozent) heißt dies das Verschwinden in die Bedeutungslosigkeit.
„Aber was das Image angeht, war der S2000 für uns lange sehr wichtig“, sagt Plättner. Wer sich einen solchen Honda für immerhin aktuell 37.950 Euro leiste, der wolle eben durchaus das harte Programm: Wind, Geräusch, Temperatur. „S2000-Fahrer lachen sich doch tot, wenn SLK-Freunde sich über ihre Nackenheizung freuen.“
110.000 Mal fand der S2000 weltweit solche Fans, die bestenfalls die Einführung des Schleuderschutzes ESP im Jahr 2006 goutierten. Wie wichtig diese Neuerung war, bewies allerdings auch die Fahrt der Redakteure von „Auto Test“ aus diesem Monat: „Man ist – speziell auf nasser Fahrbahn – gut beraten, den Schleuderschutz aktiviert zu lassen.“ Wer einen S2000 respektlos behandle, liege „schneller im Graben, als er ‚Honda' sagen kann“.
Da man es darauf kaum ankommen lässt, fand der S2000 wieder heile aufs Gut Hünersdorff zum Testwagenchef zurück. „Ich will den doch auch noch mal fahren“, gab sich dieser versöhnlich. Dafür haben wir vollstes Verständnis.