Merkwürdiges Fahrverhalten

  • Wenn ich vorne den selben Reifen aufziehen lasse, ist doch aber die Problematik an der Hinterachse die selbe, oder nicht?


    Oder fahre ich dann komplett ohne gescheite Haftung durch die Gegend? Dann habe ich vorne extremes untersteuern und hinten extremes übersteuern?


    Das man nicht dasselbe Fahrverhalten wie bei einem Sommerreifen hat, ist mir dabei schon klar.


    Vielleicht kann mir jemand noch mal den Zusammenhang erklären, was es bringt, wenn ich vorne den selben Reifentyp aufziehen lasse?


    Abgesehen von den entfallenen Weihnachtsgeschenken für die Familie. :lol:

    Modifications: Cusco Strutbar Carbon, Downforce Carbon Heatshield, individual Carbon Parts, Alcantara-Parts



    Gruß Reptiel :o

  • Sofern die neuen Reifen tatsächlich keine anderen Hafteigenschaften haben als die Alten, wird sich an der Haftung nach einer kurzen Einfahrphase nichts verändern. Was sich aber verändert ist die Reaktion der Reifen auf Lenkimpulse.
    Dadurch das VA und HA durch gleiche Reifen wieder im gleichen Timing reagieren, fährt sich der Wagen wieder berechenbarer. Das unangenehme Gefühl des losen Hinterns verschwindet. Die Lenkung wird vermutlich aber etwas indirekter als jetzt.


    Das Wichtige bei der ganzen Sache ist die Balance zwischen VA und HA. Wenn du z.B. wegen schlechten Reifen auf der VA extremes Untersteuern hast, wirst du das Heck nicht ohne weiteres zum Ausbrechen bekommen.
    Umgekehrt klebt die VA auf der Straße wie Sau und hinten Rutsch das Heck ständig weg, dann wird es schwierig ein Untersteuern zu provozieren.
    Bei dir geht es im Moment zwar auch um unterschiedliche Griplevel an VA und HA, aber primär dreht es sich darum, wann der Reifen seine Seitenführung aufbaut. Das dauert bei dir bei der HA im Moment deutlich länger als an der VA und erzeugt das Gefühl des losen Hinterns. Wird die Seitenführung jetzt vorne genauso langsam aufgebaut, wird das Heck nicht mehr mit so einem schnellen Impuls wie jetzt, sondern genauso langsam wie vorne die Richtungsänderung mitbekommen.

  • Zitat

    Eine Veränderung der Fahrwerkseinstellungen wäre auch denkbar


    Würde ich nicht machen wollen. Lieber die abgefahrenen ausmustern. So richtig toll sind die übrigens auch nicht mehr, für einen Winterreifen.


    Zitat

    Das Wichtige bei der ganzen Sache ist die Balance zwischen VA und HA.


    Ganz genau. Du hast nur eine Achse verändert, und dabei (zufällig) einen Reifen gekauft, der von den Eigenschaften nicht zu den Eigenschaften des Vorderreifens passt. Die Chance, dass das schief geht, lag bei 50/50. Hätte der gekaufte Hinterreifen einen kleineren Schräglaufwinkel gehabt (z.B. weil er mehr Aufstandsfläche, steifere Flankenkonstruktion, stabilere Profilierung als der Vorderreifen gehabt hätte), hättest Du den negativen Effekt nicht erlebt.


    Und da Dich das schlechte Fahrgefühl, was Du gerade erlebst, je nach Ausmaß, richtig anschmieren kann, würde ich da an Deiner Stelle auch alsbald was gegen tun. Ich hatte selben Effekt mal so schlimm, dass ich behaupte: Hätte ich bei >100 mal ein schnelles und heftiges Ausweichmanöver fahren müssen, wäre die Chance sehr groß gewesen, den Wagen dabei zu verlieren.

    +++ S2000 MY-2005, EZ-2006, Erstbesitzer. +++ Mods: KW Variante 3. Michelin PS2 (N3) in 225/255 auf 17" OEM Felgen. Wolfgang Weber Abstimmung. Fischerflex. Luft für die Bremsen vorn und hinten. Powerflex Road Series vorn. Domstrebe. Skeed Brace. Schwallblech in Ölwanne. Schwungscheibe 5.1kg statt 6.3kg. Seeker Shift Collar. Custom made Öltemperaturanzeige. Rainbow Germanium 265.25 aktiv an Alpine 9853R. Modifry Dashboard Handy Halter. +++ http://s-zillus.de +++

    4 Mal editiert, zuletzt von Los Eblos ()

  • Zitat

    Original von Los Eblos
    So richtig toll sind die übrigens auch nicht mehr, für einen Winterreifen.


    Ich bin mir dessen bewusst. Hatte gehofft, ich komme damit noch über diesen Winter.



    Zitat

    Original von Los Eblos
    Ich hatte selben Effekt mal so schlimm, dass ich behaupte: Hätte ich bei >100 mal ein schnelles und heftiges Ausweichmanöver fahren müssen, wäre die Chance sehr groß gewesen, den Wagen dabei zu verlieren.


    Genau mit diesem Gefühl fahre ich derzeit. Klar ist es komisch gerade bei langgezogenen Autobahnkurven. Aber bei einem Ausweichmanöver brechen sicherlich alle Dämme und der Wagen ist nicht mehr einzufangen.



    Zitat

    Original von Freestyler
    Sofern die neuen Reifen tatsächlich keine anderen Hafteigenschaften haben als die Alten, wird sich an der Haftung nach einer kurzen Einfahrphase nichts verändern. Was sich aber verändert ist die Reaktion der Reifen auf Lenkimpulse.
    Dadurch das VA und HA durch gleiche Reifen wieder im gleichen Timing reagieren, fährt sich der Wagen wieder berechenbarer. Das unangenehme Gefühl des losen Hinterns verschwindet. Die Lenkung wird vermutlich aber etwas indirekter als jetzt.


    Das Wichtige bei der ganzen Sache ist die Balance zwischen VA und HA. Wenn du z.B. wegen schlechten Reifen auf der VA extremes Untersteuern hast, wirst du das Heck nicht ohne weiteres zum Ausbrechen bekommen.
    Umgekehrt klebt die VA auf der Straße wie Sau und hinten Rutsch das Heck ständig weg, dann wird es schwierig ein Untersteuern zu provozieren.
    Bei dir geht es im Moment zwar auch um unterschiedliche Griplevel an VA und HA, aber primär dreht es sich darum, wann der Reifen seine Seitenführung aufbaut. Das dauert bei dir bei der HA im Moment deutlich länger als an der VA und erzeugt das Gefühl des losen Hinterns. Wird die Seitenführung jetzt vorne genauso langsam aufgebaut, wird das Heck nicht mehr mit so einem schnellen Impuls wie jetzt, sondern genauso langsam wie vorne die Richtungsänderung mitbekommen.


    Richtig gut erklärt. Danke. :thumbup:


    Danke natürlich an Alle, die hier bisher wertvolle Tipps und Erklärungen beigesteuert haben. 8)

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  • So, noch mal eine Rückmeldung von mir.


    Habe seit gestern nun auch neue Winterreifen vorne drauf.


    Nach meinem ersten Eindruck: das komische Fahrverhalten ist wie weggeblasen.


    Leider hat es hier gestern in Strömen geregnet, so dass ich keine abrupten Lenkbewegungen ausführen wollte.


    Aber allein bei Autobahnfahrt war das Fahrverhalten gleich ganz anders. Vorher hatte ich ja schon bei 100 km/h Muffe, überhaupt zu lenken.


    Euch Allen noch mal vielen Dank für die Ratschläge und Tipps. Wünsche Euch frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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    Gruß Reptiel :o

  • Hallo zusammen,


    wieder mal ein interessantes Thema zur Fahrdynamik. :]


    Zur Bestätigung und Zusammenfassung der hier bereits stattgefundenen Analyse nachfolgend noch mal ein paar Ausführungen von mir:


    Das Phänomen, dass du beschreibst, wird in Fachkreisen auch "schwache Hinterachse" genannt. Wie der Name schon sagt, ist die Hinterachse in Relation zur Vorderachse zu "schwach". Das "schwach" bezieht sich hier auf die Eigenschaft "Schräglaufsteifigkeit".


    Die Schräglaufsteifigkeit ist der Anstieg der Seitenführungskraft des Reifens, wenn dieser aus der Fahrrichtung ausgelenkt wird (die Auslenkung des Reifens wird Schräglaufwinkel genannt). Die Einheit der Schräglaufsteifigkeit ist daher Newton/Grad. (Siehe Bild im Anhang)


    Für das Fahrzeughandling ist prinzipiell ein hohes Niveau an Schräglaufsteifigkeit besser, aber in jedem Fall muss die Balance zwischen Vorder- zu Hinterachse stimmen (Fahrzeugabhängig)!


    Winterreifen haben aufgrund des sehr stark eingeschnittenen Profils und der relativ weichen Mischung eine deutlich geringere Schräglaufsteifigkeit als Sommerreifen.
    Das Handling ist also prinzipiell auf einem niedrigeren Niveau.


    Mit zunehmenden Verschleiß bzw. abnehmender Profiltiefe steigt die Schräglaufsteifigkeit jedoch wieder an, da die Profilblöcke steifer werden. Das führt dazu, dass abgefahrene Reifen eine etwa um 30% höhere Schräglaufsteifigkeit haben können, als neue Reifen des selben Produkts!


    Beim S2000 wäre aufgrund der Gewichtsverteilung von 50:50 und der nur moderat untersteuernden Fahrwerksabstimmung eine in etwa identische Schräglaufsteifigkeit an Vorder- und Hinterachse optimal. In keinem Fall sollte m.E. die Hinterachse schwächer als die Vorderachse sein, insbesondere nicht, wenn das allgemeine Level bereits sehr niedrig ist!


    Dies ist im vorliegenden Fall jedoch passiert, da halb abgefahrene Winterreifen an der Vorderachse mit neuen Winterreifen an der Hinterachse kombiniert wurden.
    Im übrigen sorgt die Mischbereifung am S2000 dafür, dass die breiteren Reifen der Hinterachse eine gegenüber der Vorderachse leicht erhöhte Schräglaufsteifigkeit haben sollten, und somit ein präzise und stabile Hinterachse gewährleisten!


    Meine Ausführungen beziehen sich auf den sogenannten "linearen Bereich" der Reifencharakteristik und Fahrdynamik. Hier geht es hauptsächlich um Reaktionsgrößen und Reaktionszeiten der Vorderachse und Hinterachse auf kleine Lenkimpulse des Fahrers. Allerdings ist in deinem beschriebenen Fall die Hinterachse bereits so schwach, dass man von einem deutlich übersteuerndem Fahrverhalten ausgehen muss. D.h. der Schwimmwinkel (Schräglaufwinkel des Fahrzeuges, maßgeblich bestimmt durch die Schräglaufsteifigkeit der Hinterachse) wird viel zu groß und führt zum beschriebenen Phänomen der schwimmende und richtungsinstabilen Hinterachse.


    Mit Grip und Grenzbereich hat dies eher weniger zu tun. Unter nassen Bedingungen oder im Schnee hat der neue Reifen in der Regel sogar mehr Grip.


    Da der Weg in den Grenzbereich aber über den linearen Bereich führt, haben Defizite im linearen Bereich bei gewissen Fahrmanövern auch Auswirkungen auf die Fahrstabilität im Grenzbereich (bspw. bei starken Lastwechseln).


    Gruß,
    SennaH