Ein ausführlicher Boxster Testbericht.

  • Ab und zu machen wir uns den Spaß und fahren andere Roadster, aber lest doch selbst Wink

    Die Perfektion trübt das Fahrvergnügen

    Man kann ein Auto auch zu perfekt bauen und damit über das gut gemeinte Ziel hinaus schießen. Ohne Zweifel steht der Porsche Boxster ganz oben auf der Liste der besten Roadster auf unseren Straßen. Diese Position bekleidet Porsche nicht nur mit den Fahrleistungen und Ausstattungsmöglichkeiten, sondern natürlich auch mit den hohen Preisen.

    Da wir zum Spaß bisher so ziemlich alle offenen Zweisitzer bis 50.000 Euro Basispreis gefahren sind und einen Honda S2000 besitzen, durfte der Boxster als Sahnehäubchen natürlich nicht fehlen. Dass man sich bei Porsche auf einem besonderen Niveau bewegt, wurde uns auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise klar, als wir das Porsche Zentrum in Essen betraten.

    Es standen hauptsächlich Gebrauchtfahrzeuge im mittelgroßen Ladenlokal mit einer Preisspanne von 30.000 bis 50.000 €. Merkwürdiger weise mussten wir feststellen, dass man es mit der Pflege in diesem Laden nicht so genau nimmt. So waren alle Fahrzeuge deutlich verstaubt und nicht regelmäßig gepflegt. Scheiben waren verschmiert und die Stoffdächer teilweise sandig. Die Krönung der Nachlässigkeit war ein auf dem Kopf eingebauter Kassettenhalter in einem Boxster. Darüber hinaus habe ich nicht ein sauberes Endrohr bei den Fahrzeugen gesehen, welches mal in den Genuss von Chrompolitur kam. Hmm, sollten in Essen die Putzfrauen unbezahlbar sein, oder legt die Kundschaft mit dem nötigen Kleingeld für einen Porsche keinen Wert auf Pflege und Sauberkeit. ?!?

    Einen ebenfalls bis dahin nie erfahrenen Eindruck machte der souveräne Verkäufer bei der kurzen und knackigen Beratung. Unglaublich aber wahr, er ging überhaupt nicht auf technische Details des Boxsters ein und wiegelte meine Fragen mehrmals mit seiner überheblichen Art ab. „Der Boxster hat mit 12 Sekunden das schnellste Dach der Welt!“. Stimmt nicht, denn mein Honda S2000 öffnet oder schließt in 6 Sekunden! Vermutlich aus Angst vor meinen weiteren Fragen, bot er uns schon nach ca. 3 Minuten Gesprächslänge eine Probefahrt an. „Wir wissen ja, dass Porsche der beste Wagen ist!“, sagte er. Ich strahlte und stieg sofort aus dem extra für uns aufgeschlossenen Fahrzeug aus. Denn alle Fahrzeuge sind dort verschlossen und vor dem Befingern der Laufkundschaft geschützt.

    Dann folgte das unglaubliche: Der Verkäufer bot meiner Frau und mir an, sofort einen Boxster mit zu nehmen und den darauffolgenden Tag um 12 Uhr zurück zu bringen. Unser S2000 sollte dann über Nacht in der Werkstatt abgestellt werden. Da wir Urlaub hatten, sagten wir sofort zu, denn wer kann dazu schon nein sagen? Zudem erhielt ich ein Porsche Logbuch und die aktuellen Preislisten. Nein, es war keines dieser üblichen DIN A4 Prospekte mit ein paar Schlagzeilen, Fotos, Infos und schlechten Farbtabellen. Es war ein richtiges gebundenes Buch mit allen Gründen warum der Boxster ist wie er ist und mit einer exzellenten Druckqualität. Ja, so mag ich es! Ich glaube bei Amazon hätte das Buch 19,90€ gekostet Smile Es folgte eine 300km lange und ausgiebige Probefahrt ins südliche Ruhrgebiet.

    Ok, genug der Laberei und zum Fahrzeugtest. Das äußere Erscheinungsbild ist porsche-typisch sportlich und wurde ja schon vom Toyota mit dem MR2 (dritte Generation) kopiert. Von vorne ist er nur durch Experten vom 911er Modell zu unterscheiden, was ihn sicher noch zusätzlich aufwertet. Das Heck ist ähnlich geformt wie die Front und hat als Besonderheit ein in der Mitte liegendes Doppel-Endrohr und eine bei 80km/h automatisch herausfahrende Abrisskante hinter der Heckklappe.

    Der Motor, ach ja, fast hätte ich ihn vergessen, denn man kann ihn nicht sehen! Unter der vorderen Klappe finden sich nämlich nur die Batterie und ein Einfüllstutzen für die Scheibenwasch-Flüssigkeit. Auch nach dem Öffnen der Heckklappe lässt sich der Motor nicht blicken, sondern nur ein kleiner Servicebereich mit Ölstab, Öldeckel und Kühlflüssigkeits-Öffnung. Also nichts zu sehen vom angeblichen Mittelmotor, aber wir sind uns sicher, dass er da irgendwo ist!

    Die Aufteilung der Stauräume ist spitze, denn jeder Kubikzentimeter ist optisch ansprechend gestylt und perfekt ausgenutzt. So sind unter der Front-und Heckklappe jeweils 130 Liter Stauraum. Vorne tief und schmal für die Unterbringung eines Koffers und hinten flach und lang für sonstige Utensilien. Im Immenraum gibt es ein 5 Liter fassendes Handschuhfach und mit Lederdeckeln versehende praktische und tiefe Ablagen für Sonnenbrillen und Handies in den Türen. Am hinteren Ende des Mitteltunnels ist eine abschließbare Mittelarmlehne. Unter dem Windschott ist eine flache, aber tiefe, mit Schiebetüren versehene Ablage, die aber bei Bestellung des Bose Sound Systems entfällt, da dieser Raum sonst für die Basslautsprecher benutzt wird. Alles in allem ist der Boxster der einzige Roadster ohne Stauraumprobleme!

    Das Boxster Cockpit ist auf den Fahrer zugeschnitten und bietet optische wie technische Leckerbissen, die man bei andere Hersteller vergeblich sucht und auch nicht für Aufpreis bekommt. Die drei-geteilten großen analogen Rundinstrumente sind gut ablesbar und beinhalten darüber hinaus noch digitale Informationen über LED- und ein Punktmatrixdisplay. Die für einen Sportwagen wichtigste Fahrerinformation ist die Motordrehzahl, welche übergroß in der Mitte sichtbar ist. Deutlich kleiner wird links daneben die Geschwindigkeit analog und digital angezeigt. Rechts finden sich die Anzeigen für Wassertemperatur und Tankinhalt. Wir lernen nun, das der Tank bei Porsche nicht halbleer, sondern noch zu Zweit Vierteln voll ist, aha! Die unten im Drehzahlmesser angezeigten Informationen des Bordcomputers lassen sich über einen Lenkstockhebel variieren, den ich anfangs öfter versehentlich anstelle des Blinkerhebels betätigte. Somit ein kleiner ergonomischer Minuspunkt.

    Alle Schalter, Anzeigen und die Verarbeitung machen einen hervorragenden Eindruck, sowohl qualitativ als auch optisch. Hier haben die Ingenieure wirklich genug Zeit, Geld und Freiheiten bekommen. Mir kommt ins Gedächtnis, dass es selbst Telefone im Design von F.A. Porsche gibt.
    Ich stecke den Zündschlüssel (wie bei Porsche üblich) links vom Lenkrad in das Zündschloss und schalte die Zündung ein. Ein erstes Erstaunen macht sich breit, als der Bordcomputer den Ölstand elektronisch misst und beruhigend maximalen Ölstand mitteilt. Gott sei Dank wissen wir auch sofort, dass im Scheibenwaschwasser-Behälter noch genügend Flüssigkeit vorhanden ist und wir den Sicherheitsgurt noch nicht angelegt haben.

    Ein sonorer, leicht brabbelnder und wohltuender Klang ertönt, als das 6-Zylinder Triebwerk läuft. Nach der Entriegelung eines zentralen Hebels am Dach kann das Stoffverdeck hinter die Kopfstützen elektrisch versenkt werden. Der Vorgang dauert so ca. 12 Sekunden und ist damit zwar doppelt so schnell wie beim Mercedes SLK aber auch doppelt so langsam wie beim Honda S2000. Beim Einlegen des ersten Gangs bemerke ich die für einen Sportwagen ungünstig langen Schaltwege, einer der wirklich wenigen Minuspunkte. Die Kupplung lässt sich leichter Betätigen als ich es vom Hörensagen von einer Porsche Kupplung erwartet hätte. Obwohl sich 2700ccm Hubraum im Mittelmotor befinden, braucht der Boxster eine etwas erhöhte Drehzahl zum Anfahren, sonst würgt man ihn ab.

    Die Lenkung ist für meinen Geschmack zu schwergängig und fühlt sich an, als ob die Reifen zu wenig Luftdruck hätten. Dies macht sich besonders ungünstig in engen Kurven bemerkbar, die der 1400kg schwere Porsche nur schwerfällig meistert. Anders ist es bei schnellen Kurven und der Autobahnfahrt. Hier empfinde ich die etwas schwerere Lenkung durchaus als angenehm. Leider kann ich mir wieder den Vergleich zum (nur 35.000€ teuren) Honda S2000 nicht verkneifen, da dieser das Problem durch eine geschwindigkeits-abhängige Servolenkung vorbildlich löst.

    Der drehmomentstarke Motor macht besonders bis 5000 U/min Spaß und verführt zu schaltfaulen Fahren was zwar ganz entspannend ist, aber auch langweilig sein kann. Beim Ampelstart schießt er wie ein Pfeil mit leicht pfeifenden Gummis davon, was man der fest zupackenden Kupplung und dem kräftigen Durchzug des Triebwerks zuschreiben kann. Besonders angetan hat es mir, aus dem Stand direkt in eine Kurve zu fahren und den ersten Gang bis 7500 Touren auszudrehen, KLASSE! Schade nur, das der Motorsound nicht etwas lauter ist, der Klang stimmt jedenfalls.

    Auch Navigationssystem und Bordcomputer funktionieren perfekt miteinander. Der Bordcomputer informiert über den Durchschnittsverbrauch (bei mir 12-14 Liter), Durchschnittsgeschwindigkeit, Außentemperatur und warnt vor dem Überschreiten einer zuvor festgelegten Maximalgeschwindigkeit. Dies ist auf ausländischen Autobahnen von Vorteil, da man im Porsche die Geschwindigkeit nicht so sehr spürt, wie bei anderen Fahrzeugen. Vermisst habe ich allerdings die Anzeige der Öltemperatur, da sie auch zuverlässig anzeigt, wann der Motor warmgefahren ist. Möglicherweise ist dies bei Porsche mit der Trockensumpfschmierung nicht nötig, kann ich selbst aus technischer Sicht aber nicht beurteilen.

    Kommen wir zum sehr guten und auch bei Sonnenlicht gut ablesbaren Navigationssystem. Kinderleicht zu bedienen, schnell und präzise. Gut für die Verkehrssicherheit ist, das die wichtigsten Informationen nochmals unterhalb des Drehzahlmessers angezeigt werden und über eine wahlweise männliche oder weibliche Stimmen zusätzlich angesagt werden. Als sich der Kraftstoffvorrat unweigerlich dem Ende näherte, entdeckten wird die überaus nützliche Möglichkeit zum Navigieren zur nächstgelegenen Tankstelle. Dass diese tatsächlich nur 600 Meter entfernt war, nahmen wir schmunzelnd zur Kenntnis, da wir ohne diese Hilfe in die falsche Richtung abgebogen wären. Auch die Stauinformationen deckten sich mit den aktuellen Radiodurchsagen, was uns vor ungeliebten Wartezeiten in Blechschlangen bewahrte.

    Bei zügiger Fahrt stören mich die langen Schaltwege, da der Gangwechsel bis zum weiteren Vortrieb für meinen Geschmack zu lange dauerten. Dies ist bei Honda, Mercedes, BMW und sogar Toyota und Mazda besser gelöst als bei Porsche. Mir fehlt auch eine Ablagemöglichkeit für meinen rechten Ellenbogen der irgendwie immer auf dem zum Glück mit Leder verkleideten Handbremshebel landete. Warum der Handbremshebel nicht wie bei Honda nach rechts versetzt wurde und somit aus dem Bewegungsbereich des rechten Armes verschwindet bleibt mir unklar, zumindest bei dieser Preisklasse.

    Weitere Kritikpunkte bei diesen nur zu 90% perfekten Flitzer ist, das ab 150km/h vibrierende und klappernde Plexiglas-Windschott. Auch löste sich bereits ein Teil des aufgespritzten Lederimitats am Türgriff der Beifahrerseite. Und dies bei einem Fahrzeug, dass erst 9600 Kilometer gelaufen hatte. Ok, es ist halt ein stark malträtierter Vorführwagen, dessen warmgefahrenen Bremsen in der Stadt bei halb getretenem Bremspedal nervend quietschten. Ich denke trotzdem, das dies gerade bei Porsche mit seinen ständig hochgelobten Bremsen nicht sein darf. Hatte ich schon erwähnt, das der Boxster über Nacht einen circa 20 Zentimeter großen Ölfleck in unserer Garage hinterlies? Nein, ich will nicht undankbar für diese tolle Probefahrt sein, sondern nur darauf aufmerksam machen, das auch bei Porsche nur Menschen arbeiten und es bei keinem Produkt perfekte Qualität geben kann. Tatsache ist aber, dass uns diese Mängel bei Roadstern der unteren Preisklassen, wie zum Beispiel MG-TF, Mazda MX-5 oder Toyota MR2 nicht vorgekommen sind. Allenfalls der Smart Roadster hatte ähnliche Qualitätsmängel bei unserer Probefahrt.

    Einer von keinem anderen Hersteller auch nur annähernd ereichter Punkt ist die mögliche Individualisierung des Fahrzeugs. So ist es möglich, vollelektrische Sitze zu bestellen, bei denen das System anhand der Erkennung des Zündschlüssels automatisch auf die vorher abgespeicherten Positionen fährt und das inklusive Außenspiegelposition! Somit haben auch zwei unterschiedliche große Personen sofort ihre richtige Sitzposition beim Einsteigen in den Wagen. Auch die Innenraumgestaltung lässt wirklich keine Wünsche offen. Wer also Wert auf eingeprägte Porschewappen in den Kopfstützen legt, kann dieses Extra für 150 Euro auch haben. Sieht gut aus und spielt in dieser Preisklasse auch keine finanzielle Rolle mehr, wenn man sich die andere Ausstattungen mal vor Augen führt. Oder sollte man doch besser auf die aluminiumfarbenen Zifferblätter für 450€ zugreifen?

    Wer sich einen Porsche leistet, gibt sich sicher auch nicht mit der Basisversion zufrieden. So steht auch noch der überarbeitete Boxster S mit einem um 7000€ höheren Grundpreis von 49764€ zur Wahl dessen Triebwerk 260 statt 228 PS und ein höheres Drehmoment, sowie eine etwas bessere Grundausstattung beinhaltet. Wenn dann noch eine Klimaanlage, Navigationssystem, das Bose-Soundsystem, 18-Zoll Räder und die eine oder andere Nettigkeit dazu kommen, sind 20.000€ an Zusatzausstattung schnell erreicht und noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. So kann allein die Zusatzausstattung oder Individualisierung locker ein Drittel des Gesamt-Fahrzeugpreises ausmachen.

    Als Fazit lässt sich sagen, das Porsche meiner Meinung nach zu sehr nach Perfektion strebt und den Fahrer zu viel abnimmt. So gibt es kaum Wank- und Nickbewegungen in schnellen oder welligen Kurven, denn das Fahrwerk bügelt alles aus. In so fern braucht es kein besonderes fahrerisches Können, um den Boxster schnell zu bewegen. Dies ist zwar auf die hohe Ingenieurskunst bei Porsche zurückzuführen, ist aber nicht ganz mein Geschmack. Ich selbst hatte beim Herantasten an die Grenzbereiche bei meinem S2000 deutlich mehr Respekt vor dem Wagen, als ich es beim Boxster hatte. Und genau dies stört mich, denn Fahrfehler sollten auch bestraft werden, sonst fehlt der berühmte Lerneffekt.

    Wahrscheinlich denke ich aber anders, wenn ich 20 Jahre älter bin und meine Sehkraft und meine Reflexe nachlassen. Momentan kommt der Boxster für mich jedenfalls vom Spaßfaktor und natürlich dem hohen Preis nicht in Frage. Die einzige Relativierung des Preises ergibt sich, wenn man sich den extrem guten Wiederverkaufswert von Boxstern auch nach Jahren ansieht, so gesehen ist der Porsche schon fast eine Wertanlage.

    Auch wenn ich mir in der Porsche Fraktion mit meinem kritischen Bericht sicher keine Freunde gemacht habe, denke ich, dass ich einigermaßen objektiv geurteilt habe.

    Ciao Marco

  • Der letzte wahre Porsche ist der 911er, der bis Ende der achtziger Jahre gebaut wurde. Da hat man noch gemerkt, daß man fährt und der Motor hatte einen Superklang.

    Danach kamen nur noch diese Softy-Porsche, aber das war auch gewollt und die steigenden Verkaufszahlen geben Porsche recht.
    Heute kann selbst ein Opi einen Porsche beherrschen und muß nicht um seine Bandscheibe Angst haben.

    Mein Arbeitskollege fährt einen restaurierten Porsche Carrera RS (mit dem Entenbürzel) aus den siebziger Jahren. Das Teil ist einfach nur geil: Giftiges Heck, super Motorklang und nur das Nötigste im Inneren. Eine richtige Fahrmaschine....

    Ein Porsche Boxter ist für mich wie der SLK oder Z4:
    Luxussänfte fürs Angeben beim Nachbar..... Very HappyWink

  • @Kin-Geri

    Gib dir vollkommen Recht, ausser der 92er 964 RS war und ist noch immer ein heisses Eisen. Leider sind die Preise für gute Gebraucht immernoch bei € 50'000.- Sad

    Auch ein 72er 911 S (1'040kg, 2.4-Liter, 190PS) ist rattenscharf zu fahren! Very

    Die luftgekühlten Modelle sind einfach geiler!

    Schönen Gruss,
    CHE

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