Ist der S eine Zicke?

  • Der S eine Zicke?

    Mein erstes zweisitziges Auto war ein HONDA CRX del Sol (125 PS). Ich hatte es mir zum Spaß gemacht, andere „sportliche“ Autos zur Probe zu fahren, um sozusagen Marktforschung zu betreiben. U.a. gehören zu meine Sammlung: Mercedes slk(193 PS oder so), Audi TT Roadster (180 PS und 250 PS quattro), Ford Puma, Mazda MX 3, Fiat Coupe Turbo (180 PS und 220 PS), Toyota MR 2, BMW Z 4 (mit 231 PS) und letztlich auch HONDA S 2000.
    Bevor ich letzteren fuhr, fand ich die anderen Autos zwar immer ganz nett, war auch manchmal von der vorhandenen Mehrleistung beeindruckt aber immer wieder froh, wenn ich mit meinem CRX vom Hof fuhr. Denn in Sachen Sitzkomfort und Gesamteindruck war ich dank meiner asiatischen Körpergröße hervorragend aufgehoben und freute mich immer über die Drehfreudigkeit des Motors (bis immerhin knapp 7000 U/min, wenn ich es recht erinnere) und des für einen Zweisitzers großen Kofferraumes.
    Dann kam der S 2000 auf den Markt und ich habe viel im Forum darüber gelesen, bis ich endlich, nach einigem Zögern, hierfür eine Probefahrt vereinbart hatte.
    Das Zögern erwies sich schnell als richtiges Zeichen, denn seitdem wurde ich meinem bis dahin heiß geliebten CRX in Gedanken untreu. Trotz gesteigerter Platzenge und einem wesentlich kleineren Kofferraum war ich von dem S 2000 dermaßen begeistert, dass ich meiner Frau gegenüber bald den Namen „ S 2000“ nicht mehr erwähnen durfte. Immer dann, wenn ich nach einer Forumslektüre in die Stube zu meiner Frau schlurfte, hieß es dann nur noch: „Schatz, wusstest Du schon, dass der Pfuiba dies oder das kann?“
    Irgendwann hatte ich Sie mit meinem Genörgel so weit, dass Sie mir den erforderlichen finanzministeriellen Segen gab, um für ein so unvernünftiges Auto so viel Geld ausgeben zu dürfen. Ihren Einwand, dass eine HO-Märklin-Eisenbahn ja auch sehr schön sei, hatte ich über zwei Jahre dezenter Pfuiba-Schwärmerei langsam hinweggenörgelt.
    Endlich war der Tag da, an dem ich meinen S-chatz, der folgerichtig Pfuiba getauft wurde, abholen durfte. An dem Tag regnete es auf typisch hamburgische Art und Weise und an der ersten großen Kreuzung, an der ich links abbiegen musste, gab ich dem Gaspedal einen Tritt, wie es vom CRX gewohnt war. Die sich dabei aus dem zweiten Gang (ohne V-tec, ich war ja noch beim Einfahren) bedingte Leistungsentfaltung führte mich mit dem schwänzelnden Arsch einer finnischen Graugans unversehens über sämtliche Fahrspuren auf die dort gelegene Haltebucht einer Bushaltestelle. Wenn ich nicht zuvor im Forum gelesen hätte, dass es bei einem Heckantrieb beim Ausbrechen von Vorteil ist, die Kupplung zu treten, hätte ich vermutlich auch noch das Wartehäuschen in meinen Ausflug miteinbezogen. Derartiges Verhalten war ich von dem frontgetriebenen CRX bei Nässe nicht gewohnt.
    Den Rest der Fahrt, der mich aufs platte Land zu meinen Eltern führte, war ich auf der Autobahn der König der rechten Spur und dachte darüber nach, wann in Hamburg eigentlich die Straßen auch mal trocken sind.
    Ich hatte also sehr schnell von dem so oft beschriebenen zickigen Fahrverhalten des S eine schöne Demonstration erhalten.
    Wie schon die Jahre zuvor, hatte ich bald darauf ein Fahrertraining und konnte unter kontrollierten Bedingungen ausloten, wann und wie der S seine Seitenscheibe in Fahrtrichtung bringt und wie man optimaler Weise auch in ungewöhnlichen Situationen die Lenkung, Bremse, Gas und Kupplung handhabt.
    Dadurch hat der S viel von seinem anfänglichen mir vermittelten Schrecken verloren. Dank des dennoch verbliebenen Respektes habe ich mir weitere ungewollte Ausflüge auf benachbarte Fahrspuren seitdem erspart.
    Aber ist der S wirklich zickig?
    Ich möchte als provozierende Antwort gerne eine Parallele aus dem Reitsport ziehen. Wer jahrelang auf einem abgestumpften Mietreitpferd, dass ferngesteuert in der Bahn seine Runden dreht, seine Reitstunden absolviert, mag irgendwann glauben, er könne reiten, nur weil er im Sattel bleibt.
    Wenn so ein Reitersmann dann eines Tages auf einem Nichtschulpferd ins Gelände reitet, wird merken, dass das Pferd plötzlich auf sämtliche Signale des Reiters reagiert und nicht nur auf die, die ihm im Trott der Schulstunde vom Reitlehrer abverlangt werden. Dieser Reitersmann wird sein Reitvermögen sicherlich neu überdenken müssen.
    Genauso geht es wohl jedem, der mit einem Allerweltsauto mit Frontantrieb und durchschnittlicher Motorleistung viel im Stadtverkehr rumgurkt und dann mit einem heckgetriebenen Sportauto glaubt, die vorhandene Motormehrleistung auf einer kurvigen Landstraße in eine Ideallinie mit Seitenquerbeschleunigung von mindestens 1 g verwandeln zu müssen.
    Es ist keineswegs der S wirklich zickig, sondern allenfalls der Fahrer zu unvorsichtig.
    Man muß halt lernen, wie beim Reiten die Zügel aufzunehmen und den Ritt mit gefühlvollen Paraden statt mit einem Tritt der Sporen und gleichzeitigem Zerren am Zügel zu steuern.
    Dann wird sich offenbaren, dass nur wenige Auto das Zusammenspiel bieten von einem handlichen Lenkrad mit einer sehr direkten Lenkung, einem harmonischen Zusammenspiel von Kupplung und Gas sowie einer unglaublich kurzen knackigen Schaltung, deren Knüppel sich aus der Mittelkonsole wie ein Joystick in die Hand schmeichelt.
    Es wird eine Gesamtharmonie entfaltet, die es einem erlaubt, spaßvoll durch Landstraßenkurven zu räubern, ohne dass eine stets virtuell mitbremsende Beifahrerin die Sorge um Ihre fahrwindzerfledderte Frisur vergisst, weil Sie keinen Haltegriff im nicht vorhanden Dachbereich findet und innerlich heult, weil Sie statt in einem VW Käfer bei diesem Idioten im Auto sitzt.
    Diese sommerliche Fahrszenario wird dabei auch noch von dem technischen Meisterwerk an Motorenbaukunst untermalt, welches durch sein metallisch kreischendes Crescendo im V-tec jegliches von der Presse gepriesenes Bassgebrabbel großvolumiger 6-Zylinder in Grund und Boden pfeift. Es wird immer schnellere Autos geben (die dann in alle Regel deutlich teurer sein dürften).
    Aber wer fährt schon mit einer Weltrekordleistungsausbeute pro Liter Hubraum durch die Gegend und hat dabei auch noch ein Auto, dass selbst im Sommer eben nicht an jeder Straßenecke zu sehen ist.
    Als Hamburger habe ich sommers das Vergnügen, allerorten Cabrios und Roadster zu sehen. Manchmal scheint mir die Boxster/SLK/Z 4/MX-5 Fraktion zahlreicher als VW Golf auf den Straßen unterwegs zu sein. Bei einem S als Vehikel bekomme ich vom freundlichen Zuwinken meiner Brüder und Schwestern jedenfalls keinen Tennisarm.
    Zu allem Überfluß kommt beim S dann noch ein Design hinzu, dass beim DSF in Motorvision mal verschmitzt als Hustenbonbon-Design bezeichnet wurde. Der Moderator muß damit gemeint haben, dass einem schon das Äußere im Stand die Nasennebenhöhlen freipustet und dann hat er Recht.
    Allein der Frontbereich, dessen asiatisch geschlitzter Augenaufschlag von den Radkästen her einer sanften Taillierung folgend in die Flanken des geduckten Fahrzeuges mündet, lässt mich oft mit dem Blick eines verklärt immer noch Frischverliebten an einen Hammerhai denken (Bekommen Hammerhaie eigentlich Husten?).
    Das durch die Front vermittelte Überholprestige gereicht auf der Autobahn dem Vordermann oft zum einem willigen kurzen Wechsel auf die rechte Spur, welchen ich mit dem Opel Astra meiner Frau noch nie er“fahren“ habe.
    Keine Spur also von der senkrechten abgehackten Form mit der seitlichen Linienführung eines vietnamesichen Hängebauchschweines wie man es im Tierpark Harburger Berge und bei jedem BMW Z 4 beobachten kann.
    Darüberhinaus endet das Fahrzeug auch aus Fahrerperspektive nicht am Scheibenwischer, sondern offenbart seine flache Schnauze, die schließlich mitbezahlt wurde, dem Betrachterauge und stellt damit eine Peillinie (alte Schreibweise) für Kurvenscheitelpunkte zur Verfügung, die eine Fahrweise erlaubt, welche wiederum die obengenannte mitbremsende Beifahrerin verhindert und stattdessen dieser gestattet, sich den Konturen des Sitzes hinzugeben und den Blick auf die verwischt vorbeifliegende Landschaft zu genießen.

    Alles in allem haben haben wir also das Privileg, ein Auto fahren zu dürfen, dass bei allen Nachteilen (ich will ein Handschuhfach) soviel Spaß und ungewöhnliche Technik bietet, dass man den Titel „Zicke“ für andere Gelegenheiten verwenden sollte, z.B. wenn die Beifahrerin auch auf der Rückfahrt noch mitbremst.
    Bleibt für mich nur noch die Frage, wieso es so oft heißt, der Kofferraum sei so schrecklich zerklüftet und damit ein Nachteil.
    Mal angenommen, ich hätte eine Reifenpanne und müsste meine Felge gegen das dürftige Notrad tauschen. Dann kann ich den Werkzeugsatz in die Mulde des Notrades schieben und die kaputte große Felge in der freiwerdenden Mulde des Kofferraumes verstauen.
    Frage mal einen MX-5-Fahrer. Läßt der die Beifahrerin oder die Felge am Straßenrand zurück?

  • :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    Klasse geschrieben!
    Dem ist nix hinzuzufügen! ;)

    Ich glaub ich dreh jetzt mal ne Runde. Habe gerade richtig Lust bekommen!
    Und damit gleich wieder einen netten Gruß an unsere Saisonfahrer! :twisted:

    "Wenn du den Baum, den du gleich treffen wirst, sehen kannst, nennt man das »untersteuern«, wenn du ihn nur hören und spüren kannst, wars »übersteuern"l
    Zitat Walter Röhrl

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Holger,

    danke für den ausführlichen Bericht zum Wochenende! Da kann ich nicht viel hinzufügen und wünsche Dir weiterhin viel Spass mit dem S. Sehr schön fand ich auch die Beschreibung des Z4...

    :twisted:

    Beste Grüße,
    Nick

  • Zitat

    Original von TJ
    :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    Klasse geschrieben!
    Dem ist nix hinzuzufügen! ;)

    Ich glaub ich dreh jetzt mal ne Runde. Habe gerade richtig Lust bekommen!
    Und damit gleich wieder einen netten Gruß an unsere Saisonfahrer! :twisted:


    :x :x :x :x :x:lol:

    Performance ist die beste Optik

  • :thumbup:

    Honda Legend 3,5i V6 18" Superleggera III, H&R
    Honda S2000i VTEC Toda built Engine, Wimmer ECU-tuning, Js Header,
    Js 60RS Dual Titan, CE28N, Carbon Intake/Cooling Paneel, Spoon ETD, H&R Coilovers, Recaro Pole Position, Spoon FD4.44

  • Zu schön!
    Du beschreibst genau meine Karriere.
    Ich, ebenfalls aus Hamburg, nenne ebenfalls ein Honda CRX mein Eigen, habe eine recht anschauliche Liste an Autos Probegefahren (den S2000 aus gutem Grund nicht) und meine Freundin verdreht auch nur die Augen wenn ich von anderen Autos rede, erst recht vom S2K. Aber sie mag ihn auch sehr, vor allem weil er so sellten ist und eben cool.
    Wie auch immer, habe ich mir auch gerade einen Traum erfüllt, der dem S2K sehr nahe kommt: Mein CRX ist seit 3 Wochen mit Turbolader unterwegs und kommt dem Anzug eines S denke ich sehr nahe.
    Eben auf andere Art und weise, nur bis 7.000 U/min aber dafür mit mehr Wumms. Ich freu mich schon auf de nächsten Sommer!

    @ Holger, wo aus Hamburg bist Du denn?

    CRX del sol Turbo geladen

    Einmal editiert, zuletzt von Hamburg CRX (11. November 2006 um 19:34)

  • Klasse geschireben!
    Bist du journalistisch tätig, o.ä.?

    "Racing, competing, is in my blood. It's part of me, it's part of my life. I've been doing it all my life. And it stands up before anything else.