Renault Clio Sport V6 255

  • Hi folks!

    Heute hat es tatsächlich geklappt:
    Ich konnte einen V6-Clio der zweiten Generation fahren!
    Das solch ein Gefährt nicht an jeder Hinterhofgarage steht, war mir schon im vornherein klar. Aber das eigens für meine Probefahrt das Fahrzeug per Transporter vom Importeur an das Autohaus geliefert werden sollte, stimmte mich fast schon unheimlich.
    Ich erhielt die Zusage letzte Woche und meine Vorfreude stiegt langsam ins unermessliche, wobei mir noch die Textpassagen der englischen Autozeitschrift EVO (Ausgabe 063, evo car of the year) immer wieder durch den Kopf gingen. Ist diese Maschine so brandheiss, wie die kranken Jungs aus der EVO-Redaktion beschrieben haben??
    Angetreten waren nicht minder als...
    BMW Z4 3.0
    Caterham S7 R400 SV (200PS)
    Mazda RX-8
    Mini Cooper S Works
    Mitsubishi Evo VIII FQ-300 (300PS)
    Nissan 350Z
    Subaru Impreza STI Spec-C (335PS)
    TVR T350C
    Vauxhall VX220 Turbo (Baugleich mit Opel Speedster Turbo)
    VW Golf R32
    Renault Clio V6 255

    Dieser Vergleich war in Part One: Sportliche Spassautos bis etwa £30'000.-, welche von der Redaktion ausschliesslich im Jahr 2003 getestet wurden.
    Bei diesem Vergleichstest geht es nicht um Spitzenmesswerte auf der Rennstrecke, sondern um den Spassfaktor auf britischen und schottischen Landstrassen, den sogenannten „Dirty British B-Roads“.
    Die besten Drei (Impreza, VX220, Clio) traten dann ein paar Seiten später in Part Two gegen die sogenannte Surreal World an. Also Fahrzeuge, bei denen die Preise für Normalos (damit sind WIR gemeint) in unerreichbaren Sphären liegen dürfen:
    Bentley Continental GT
    BMW M3 CSL
    Ferrari Challenge Stradale
    Lamborghini Gallardo
    Noble M12 GTO-3R
    Porsche 911 GT3
    Porsche Cayenne Turbo

    Langer Reden, kurzer Sinn: Der Mittelmotor-Clio hat hinter dem GT3 und dem Gallardo den dritten Platz geschafft! Auch zum Erstaunen des über 11-köpfigem Testteams...

    Diese Tatsache machte mich natürlich besonders neugierig und gespannt.
    Dann der erste Schock als ich am Montagmorgen aus dem Haus trat: Ich entdeckte unsere Landschaft im tiefsten, schneereichen Winter!
    Ich dachte schon, das wird mit dem Testtermin am kommenden Mittwoch nichts mehr...seufz!
    Und dann war zu meiner Erleichterung heute doch wieder strahlendes Wetter angesagt. Die Strassen mehr oder weniger trocken. Also, dachte ich mir, das wird schon, trotz minus zwei Grad Celsius und unbefriedigenden Asphalttemperaturen. Na, vielleicht steht ja dann ein Satz Reifenheizdecken zur Verfügung...
    Vergiss es! Beim Händler angekommen, sollten zuerst einmal die Scheiben an der V6-Rennsemmel freigekratzt werden. Selbstverständlich war der Clio auch noch mit sommerlichen Michelin Pilot Sport 2 besohlt. Heizdecken? Fehlanzeige! Dazu aber später...
    Während ich mich mit der Sitzposition vertraut machte, lief der 3-Liter-V6 im erhöhten Standgas etwas warm. Sonor brabbelnd und verheissungsvoll stiess er temperaturbedingt seine dicken Wolken aus den mittig angeordneten Auspuffrohren.
    Dann sogleich die erste Ernüchterung: Sitzposition viel zu hoch und das Lenkrad zu flach angeordnet. Ausserdem lässt sich trotz meiner durchschnittlichen Grösse von 1.80m keine vernünftige Sitzposition finden. Sitz man so, dass die Pedalerie in korrekter Entfernung ist, scheint das obere Teil des Lenkrades fast unerreichbar zu sein. Okay, dann stellen wir eben die Rückenlehne steiler. Hm, irgendwie beschleicht mich das Gefühl, als würde ich mich an ein Grabmahl anlehnen, so steil steht nun die Lehne. Das Lenrad lässt sich leider nicht axial verstellen, um etwas Abhilfe zu schaffen. Die Sitze stützen die Schulterblätter nicht wirklich ab und sind nach meinem Geschmack etwas zu nachgiebig. In dieser steilen Sitzposition drückt die vorgeneigte Kopfstütze den Kopf im Quasimodo-Style nach vorne. Die Sitzposition erinnert mich selbst in der tiefsten Stellung an einen Van. Also ich weiss nicht so recht: Was für Franzosen haben da im Innenraum gewirkt? Vielleicht will ja der Clio gar nicht ergonomisch sein. Das Armaturenbrett, das aus jedem Diesel-Clio stammen könnte, lässt das Herz auch nicht höher schlagen...
    „Was soll's!“, sage ich mir, „da gehören sowieso aftermarket Stack-Renninstrumente, ordentliche Sparcos und ein geschüsseltes 350er-Rallylenkrad rein.“ Die Rennversion lässt grüssen...
    Aber jetzt ist fertig lustig. Ich bin zum Fahren und nicht für ein Interieur-Schnick-Schnack-Studium da!
    Losfahren (der Händler sitz noch unbehelligt auf seinem Beifahrersitz) und das Ding mal auf Temperaturen bringen. Natürlich ist eine Oeltemperaturanzeige auch hier Fehlanzeige. Keine vorhanden...
    Der Clio hängt unheimmlich giftig am Gas. Schon bei den ersten Millimetern Gaspedalweg bellt der optimierte V6 los. Der Klang geht eher in 911er Richtung als Laguna-V6. Die Schaltung liegt gut zur Hand und ist nahe am Lenkrad positioniert. Die Schaltwege kurz und knackig. Die sechs Gänge flutschen nur so durch die Gassen und die Kupplung beisst stramm zu. Die Gangräder sind gut gewählt, so dass keine allzugrossen Drehzahlsprünge festzustellen sind. Ein enggestuftes 6-Ganggetriebe also, bei dem der 6. Gang richtig schön kurz gewählt ist.
    Dann, denke ich, ist es allmählich Zeit dem Copiloten die Grenzen der Physik vorzuführen, hehehe... Kurvenreiche Bergstrecke vor mir und ich schalte mit einem Schuss Zwischengas vom vierten in den zweiten. Vollgas, dreh die Maschine von 4'500 bis knapp auf 7'200 hoch und hau den dritten rein. Und wieder hoch nahe an den Begrenzer ohne ihn wirklich zu bemühen. WOW! Was war das!? Die Maschine hinter meinem Rücken hat sein Bestes von sich gegeben. Eine Soundkulisse, die trotz serienmässiger Schalldämpferanlage sogar die Rolling Stones entzücken und ihr „I can’t get no satisfaction“ überflüssig machen würde. Und dabei wird der Maschinenraum nicht mal von einer Glasscheibe vom Fahrgastraum abgetrennt. So soll es sein! Am liebsten würde ich noch die Motorabdeckung wegreissen und den Innenrückspiegel so stellen, dass ich mit einem Auge die Soundmaschine erblicken könnte. Nächste Kurve, Anker werfen und mal vorsichtig den Grip testen. Sommerreifen und solche Temperaturen, da kann man fast schon nicht mehr von Grip reden. Trotzdem lenkt der Clio, mein kleiner Freund, willig ein und ich beschleunige gefühlvoll im zweiten Gang aus der Spitzkehre. Das kurveninnere Rad macht sich kurz mit haltlosem Traktionsverlust bemerkbar. Keine Sperrdifferenzial vorhanden? Der Händler weiss es auch nicht. Oder will er es einfach nicht mehr wissen?? Wieder Vollgas und der Clio reisst nach vorne (Kilometerstand 10'500, also eingfahren!). Mein S2000 müsste im Vergleich ganz klar im VTEC-Bereich sein, um folgen zu können. Der Ohrenschmaus, der aus dem Maschinenraum dringt, ist phänomenal und suchtgefährdend. Dabei vermischt sich Ansauggurgeln und Auspufftrompeten (weil beides von hinten nach vorne dringt) zu einem haarsträubenden Stakkato, so dass einem wirklich das Gefühl beschleicht einen klassischen 911er Porsche zu treten.
    Mein Grinsen wird breiter und breiter! Das macht echt Laune!
    Die Lenkung arbeitet gefühlvoller und genauso direkt wie im S2000. Leider ist das Lenkrad hässlich und etwas zu gross geraten.
    Dann das Fahrwerk, das Fahrwerk und nochmals das Fahrwerk! Der kurze Radstand macht sich mit einer willkommenen Nervosität bemerkbar. Die Fahrwerksabstimmung ist bretthart, so wie ich es eben liebe, und lässt keinen Zweifel darüber, welcher Level im Playstation Gran Tourismo schon erreicht ist. Messerscharf und superagil. Das fahrbereite Gewicht von 1'475kg will man kaum glauben. Ich lass es fliegen. Und der Clio folgt meinem Willen und fliegt auch! Heck weg, Gegenlenken und mit Verlaub den sauberen Drift geniessen. Mein Beifahrer sagt irgendwie nichts mehr. Die Bremsen lassen sich gut dosieren und sind im Druckpunkt klar und straff definiert. Das ABS greift erst sehr spät ein. Ein Warmduscher-ESP gehört hier sowieso nicht rein. Immer wieder Spitzkehre hart anbremsen, gleichzeitig mit abknickendem Fuss Zwischengas (da faucht der V6 immer so schön...) und rein mit dem Ersten. Das Heck schmiert schon beim Anbremsen in die Kurve klar definiert weg. Anschliessend Ausgangs Kurve den zweiten Gang reinwerfen und mit etwas mehr Grip den Gipfel erstürmen. Die Pilot Sport Gummis denken nicht im geringsten daran, bei diesen Temperaturen so etwas wie Klebstoff zu sein. Schade! Den Beweis, dass Michelin F1-Knowhow auf die Strasse übertragen wird, bleiben sie für den Frühling schuldig.
    Am unteren Ende des Berges angelangt, wende ich das Fahrzeug. Oder ich versuche es zumindest. Iiiist daaaaas aaaaalles...? kommt mir der Song von der Poprockband Die Ärzte in den Sinn. Zum Glück waren zuvor meine Driftwinkel nicht allzu arg. Das hätte sonst nicht mehr gereicht. Milde gesagt, entspricht der Wendekreis dem eines US-Campers. Also kein Cityeinkaufsmobil. Das erübrigt sich sowieso beim Anblick des (auch mit Roadstermassstäben) mickrigen Kofferraumes unter der Fronthaube.
    Man kann natürlich ein paar zusätzliche Utensilien auf die Motorraumabdeckung im Innenraum legen, aber wehe man bremst die Kurven standesgemäss an... Also nicht mal für den Kurzurlaubstrip in die Dolomiten taugt der Clio. Oder wie war das nochmals in der TV-Werbung an dem einen Strand?: Visa, die Freiheit gönn' ich mir! Nun ja, so soll es sein.
    Die gute Stunde Testfahrt ist im Fluge vorbeigerauscht und wir kommen wieder heil im Autohaus an. Dann doch ein Lächeln des Händlers. Ein Aufatmen? Bewusstseinsfindung? Reinkarnation? Was geht in dem Menschen vor? Oder ist das seine Vorfreude auf den Kaufvertrag? Nein, nur ein simples Das-war-einer-der-schöneren-Kundschaftsfahrten entwischt es ihm seinen Lippen. Toll! Genuss ganz meinerseits! Kaufvertrag? Also liebe Entwicklungsingenieure bei Renault Sport: Bitte, bitte gebt dem Auto den Innenraum, inklusive sportwagenmässiger Sitzposition, den es verdient hat (schielt doch mal zu eurem Konzernbruder Nissan rüber, der es euch mit dem fabelhaften 350Z vorexzerziert). Dann können wir darüber reden...
    Übrigens: Kurz vor dem Aussteigen hab ich noch den Bordcomputer gecheckt. Testverbrauch: 17.4 Liter im Schnitt. Nicht schlecht, Herr Specht...

    Mein Fazit:
    Der V6-Clio der zweiten Generation, welcher nicht mehr von TRW England, sondern aus dem ehemaligen Alpine-Werk entstandener Renault-Sport-Abteilung stammt, ist der knallende Hammer! Das Preis-Spass-Verhältnis ist einfach toll, die Optik Geschmackssache und der Seltenheitswert jetzt schon auf Sammlerniveau.

    Technische Daten:
    3.0-V6-24V Mittelmotor quer mit Sechsganggetriebe
    1475kg fahrbereit
    255PS bei 7'150
    300NM bei 4'650
    Belüftete Scheibenbremsen vorne (330er) und hinten (300er)
    7x18 mit 205/40er vorne und 8.5x18 mit 245/40er hinten
    0-100km/h in 5.8s
    Vmax 245km/h
    Wendekreis links 13m/ rechts 14.4m (normaler Clio: 10.7m/11.1m !)
    Gesamtlänge 3.841m
    Radstand 2.532m
    Tank 61 Liter


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    Schönen Gruss,
    CHE

  • Toller Bericht, Che!

    Konntest Du herausfinden, warum der Clio, neben dem schweren Motor, im Heck fast anderthalb Tonnen wiegt?
    Wurde vielleicht vergessen in der Front den Standardvierzylinder auszubauen? Very Happy
    Aber ansonsten (bis auf den Wendekreis) ein geniales Spaßauto.

  • toller bericht Smile

    sollten wir ja fastg für eine neue tastatur sammeln. bei der länge. Cool

    war sehr angenehm zu lesen. und ich als alter renault alpine turbo fahrer verfolge die bemühungen von renault ein sportliches spaßauto zu bauen natürlich mit größtem interesse.

    gruß

    jörg

  • froggy66 schrieb am Fri, 27 February 2004 07:57


    war sehr angenehm zu lesen. und ich als alter renault alpine turbo fahrer verfolge die bemühungen von renault ein sportliches spaßauto zu bauen natürlich mit größtem interesse.

    gruß

    jörg



    Klingt so als wärst du nicht wirklich überzeugt vom Clio V6, wenn du ihn als "Bemühung von Renault" bezeichnest. Rolling EyesRazz


    Mfg Hubi